Provokation

Herausforderung

Absurdes und Nachdenkenswertes aus den sozialen Medien kommentiert von Georg Rieger

Gerührt, nicht geschüttelt!

Der amerikanische Milliardär Elon Musk nimmt global Einfluss auf die Politik. Er sitzt auf dem Schoß des künftigen US-Präsidenten (manche behaupten auch, es sei umgekehrt), ihm gehören die Satelliten, die für die Verteidigung westlicher Länder wichtig sind. Er finanziert rechte und faschistische Parteien in Europa. Die dominierende Nachrichtenplattform gehört ihm nicht nur, sondern er nutzt sie persönlich zur Verbreitung von Hass und Hetze.

James-Bond-Filme wurden immer belächelt – insbesondere wegen ihrer konstruierten Bösewichte. Nun ist diese Seite des Plots eindrucksvoll Realität geworden. Doch auf den rettenden Agenten oder auch die rettende Agentin werden wir wohl vergeblich warten. Müssen wir also alle den James Bond in uns aktivieren? Gott bewahre! Aber es sollte uns in der Tat bald etwas einfallen, wie wir diesen Verrückten in die Schranken weisen.


Georg Rieger
Erste Gutmenschen

Die amerikanische Anthropologin Margaret Mead hat (schon vor mehreren Jahrzehnten) auf die Frage nach den ersten Anzeichen der Zivilisation auf Funde von verheilten Oberschenkelknochen verwiesen. Während Tiere mit solchen Verletzungen keine Überlebenschance hätten, sei dieser Mensch vor circa 5000 Jahre über längere Zeit versorgt und beschützt worden.

In Zeiten einer leidlich funktionierenden Gesundheitsversorgung könnten wir uns mit einem zufriedenen „Siehste!“ zurücklehnen. Gäbe es da nicht ernstzunehmende Anzeichen, dass auch solche zivilisatorischen Errungenschaften wieder in Frage gestellt werden. Und sei es nur durch das vermeintlich logische, aber konstruierte Argument, dass wir ja nicht allen helfen können. 

Die Mitmenschlichkeit als Schwäche oder Überforderung zu framen, ist eine Methode des Faschismus, der – wie wir in der Geschichte unseres Landes sehen können – Menschen zu Tieren macht.

Quelle: Der andere Advent 2024


Georg Rieger
Reiche gerecht besteuern!

„Den Reichen etwas wegzunehmen, bringt nichts. Das Ist höchstens ein Tropfen auf den heißen Stein“, so wurde und wird immer erklärt, warum Umverteilung angeblich nichts bringt. Ein anderes Argument, das alle ausgleichenden Bemühungen im Keim erstickt: „Neid ist ein schlechtes Motiv.“

Die ETH Zürich und andere Institute haben recherchiert, wieviel Steuern Superreiche tatsächlich bezahlen: Es ist weit weniger als der Spitzensteuersatz, den „normal reiche“ Mittelständler durchaus begleichen. Nicht Neid, sondern Gerechtigkeit, treiben also zu einer konsequenten Besteuerung an. Und dass eine Vermögens- oder Reichensteuer nichts bringt, ist auch nicht richtig. Greenpeace hat berechnet, dass bei einer Sondersteuer für die 5.000 vermögendsten Personen 200 Milliarden herausspringen würden.

Einfacher ist es natürlich, das Bürgergeld zu kürzen und mit anderen sozialen Leistungen ein paar Milliarden einzusparen. Währenddessen steigen die Vermögen der Superreichen weiter. Und diese Vermögen geben ihnen die Möglichkeit, Einfluss auf die Meinungsbildung zu nehmen und weiter die Narrative zu pflegen, die besagen, dass es nichts bringt ... (siehe oben!)

Quellen: WirtschaftsWoche, Lisa Ksienrzyk 19.04.2024. epd 6.12.24. @mondschaf23 6.12.24


Georg Rieger
Ein Hoch auf das Bilderverbot

Der Ampel-Ausstiegsplan der FDP führt uns vor Augen, wie wichtig die Zurückhaltung mit Bildern auch beim Sprechen sein kann: „D-Day“, „offene Feldschlacht“ – und das alles in eine Pyramide gezeichnet – das sind alles interessante, aber eben auch verräterische und selbstbeschädigende Assoziationen.

„D-Day“ spielt wohl auf den lange geheim gehaltenen Tag der Landung der Alliierten in der Normandie an und auf den Wendepunkt im Verlauf des Zweiten Weltkriegs. Die Wirkkraft eigener Entscheidungen kann man so natürlich versuchen zu erhöhen. Könnte aber auch schiefgehen und das Gegenteil bewirken.

Eine „offene Feldschlacht“ ist es in gewisser Weise tatsächlich geworden, an deren Front nun auch – wie in den meisten Kriegen – die Parteisoldaten geopfert werden, während in der Kommandozentrale Durchhalteparolen ausgegeben werden.

Und mit der Pyramide ist ein besonderer Hattrick gelungen, weil deren Form das autoritäre Top-Down-Prinzip untermalt, dem sich die FDP unterworfen hat. Gleichzeitig ist das Bild ein wahrscheinlich nicht intendierter Lösungsvorschlag: Pyramiden sind nämlich Gräber. 


Georg Rieger
Erleuchtende Umkehrung

In den sozialen Medien läuft gerade eine Aktion #womaninmalefields. Sprüche, die sich Frauen anhören müssen, werden auf Männer umformuliert. Klingt nach billiger Retourkutsche, ist aber ganz anders gemeint und wirkt auch ganz anders: Selbst wer solche Sprüche selbst nicht sagt, merkt, wie verletzend sie sind.

Passend dazu hat sich Friedrich Merz jüngst zur Rolle der Frauen im Staat geäußert: „Wir werden dieses Land ohne Frauen nicht nach vorne bringen.“ Wie herablassend dieser Satz ist, wird klar, wenn man ihn sich umgekehrt von über Männer gesagt vorstellt.


Georg Rieger RefApp
Das Ende der Demokratie?

Im März 1933 hat die NSDAP bei den letzten Reichstagswahlen 43,9 % der Stimmen erhalten. Drei Monate schafften sie es, die SPD zu verbieten und einen weiteren Monat später die Neubildung von Parteien. Zu allen folgenden „Wahlen“ war nur noch die NSDAP zugelassen.

Bisher dachten wir, die Vereinigten Staaten hätten nicht nur die mit Abstand älteste demokratische Tradition, sondern auch die stabilste. Es bleibt abzuwarten, was Donald Trump aus seinen Ankündigungen macht, zum Beispiel der, dass dies die letzte Wahl sei. Oder der, dass er seine politischen Gegner einsperren wolle. Seine Ausgangslage ist weitaus besser als die Adolf Hitlers. Und die Analysen der US-Wahl zeigen, dass demokratische Regeln im Ranking der Menschen ziemlich weit unten vorkommen.

Wir können weiter daran glauben, dass das bei uns anders ist. Oder die demokratischen Parteien darin unterstützen, zukunftsweisende und gerechte Entscheidungen zu treffen.


Georg Rieger
Nette Dividende

Das VW-Management fordert zur Sanierung des Konzerns eine Lohnsenkung um 10 Prozent. Es droht die Schließung von Werken mit der Folge von Zehntausenden Arbeitslosen. VW- Markenchef Thomas Schäfer begründet die Schritte damit, die deutschen Standorte „seien nicht produktiv genug“.

Von Managementfehlern mal abgesehen, die der eigentliche Grund für den Umsatzeinbruch sind: Dem Konzern geht es so schlecht, dass die Aktionärs-Hauptversammlung Ende Mai eine Dividende von 9,06 Euro pro Vorzugsaktie auszahlen konnte. Das ergibt einen Betrag von ca. 4,5 Milliarden. Hauptaktionäre mit 53 Prozent sind die Familien Porsche und Piech.

Merke: Das Geld ist nie weg, sondern nur woanders. 


Georg Rieger
Wetten doch!

Thomas Gottschalk gibt sich gerne als etwas unbedarft. Was meint, dass er gerne so reden will, wie ihm der Schnabel gewachsen ist – ohne viel nachzudenken. Eingeschlossen Bemerkungen, die sexistisch oder rassistisch sind. Er würde wohl sagen: die sexistisch oder rassistisch aufgefasst werden wollen.

Diese Schuldumkehr ist das eigentliche Problem. Seit seiner letzten Sendung betreibt er diese – und zuletzt durch ein ganzes Buch, in dem er beklagt, dass er nicht mehr „Ungefiltert“ (so der Titel) reden darf. 

In einem Interview fügte Gottschalk jüngst hinzu, dass er es nicht genießt, „angepinkelt“ zu werden. Mitunter hat man das Gefühl, dass doch. Denn Tommy hätte sich einfach in den Ruhestand verabschieden können und alle hätten seine Sprüche und seine Tätscheleien als ein Phänomen einer vergangenen Zeit verbucht. 

Weil ihm die Aufmerksamkeit wichtiger ist, macht er sich zunehmend lächerlich. Dabei kann er durchaus sympathisch selbstironisch sein – wie am Ende seines Buches: "Hier schreibt sich einer seinen Frust von der Seele, der in Wirklichkeit damit hadert, dass nichts mehr so ist, wie es einmal war, und der klagt, dass er nicht mehr das ist, was er mal war."

Quelle: Treads selinakristin (24.10.24)


Georg Rieger
Wasser auf die Mühlen

Anfang des Jahres gab es gut besuchte und ermutigende Demonstrationen gegen rechtsradikale, verfassungsfeindliche und menschenfeindliche Parolen. Nun hat der Bundestag mit den Stimmen der Ampel-Koalition ein „Sicherheitspaket“ beschlossen, das Wasser auf die Mühlen genau dieser Erzählungen ist, dass Geflüchtete Deutschland bedrohen und sie deshalb so schlecht wie möglich behandelt werden müssen.

Die beschlossenen Maßnahmen gehen so weit, dass Menschen, die laut dem Dublin-Abkommen eigentlich in einem anderen EU-Land sein müssten, jegliche Sozialleistungen entzogen werden, sie also Hunger und Obdachlosigkeit – letztlich auch der Gewalt der Straße – ausgesetzt werden. Das ist ein klarer Verstoß gegen das Verfassungsgebot, die Würde des Menschen zu schützen.

Gehen wir jetzt wieder auf die Straße? Das wird wohl kaum passieren, weil sich die Debatte binnen eines halben Jahres so verschoben hat, dass sich kaum mehr jemand öffentlich für den Schutz von Geflüchteten einsetzt. Es war leider nur ein kurzes Aufflammen von Mitmenschlichkeit und Integrationsbereitschaft. Die Lügen und der Hass sind längst mehrheitsfähig.
Georg Rieger
Ausgebuht

Ralf Stegner wurde bei der Friedensdemo am 3. Oktober in Berlin ausgebuht, als er vom "russischen Angriffskrieg" sprach. Die gebuht haben, sehen es wohl als pazifistisch an, Aggressoren nicht mehr als solche zu bezeichnen.

Pazifismus ist – ähnlich wie Gerechtigkeit und Freiheit – für manche ein Ideal, für andere eine Lösung. Der Ansatz ist aber in keinem Fall, Gewalt zu verharmlosen, sondern ihr mit anderen Mitteln zu begegnen. 

Eine Alternative zum Gegenhalten mit Waffen ist der gewaltlose Widerstand. Dieser erfordert Vorbereitung, ein hohes Maß an Zusammenhalt, Solidarität und Bereitschaft zum Leiden. Das von Anderen zu verlangen, ist zumindest schwierig. Vor allem dann, wenn man sich selbst mit dieser Idee nicht einmal im Ansatz beschäftigt. In der Friedensbewegung der 80er Jahre wurde viel darüber diskutiert. Derzeit ist davon nichts zu hören. Aber vielleicht deshalb, weil es genau an den genannten Voraussetzungen fehlt. 


Georg Rieger RefApp
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