Man schämt sich
»In gewissen Krisenzeiten (...) kann dann die Unmenschlichkeit allerdings für eine Weile alle oder fast alle Dämme zerbrechen, zum Entsetzen der nicht direkt Beteiligten in allerlei allgemeiner Verrohung und Verwilderung an den Tag treten. Da mag dann das untere Ende jener schiefen Ebene plötzlich bei Vielen, auch bei Menschen und in Kreisen, in denen das von ferne nicht zu erwarten war, sichtbar werden. Es kann dann wohl das menschliche Kollektiv als solches in erschreckender Weise zum Scheusal werden. Aber solche Krisenzeiten pflegen vorüber zu gehen, das zivile Zusammenleben der Menschen nachher wieder relativ zur Ruhe zu kommen, die ihm notorisch gefährlichen Erscheinungen wieder zu Ausnahmen zu werden. Der Unmensch verzieht sich dann im Ganzen wieder in die Kulisse. Man schämt sich seiner aufs neue.«
Karl Barth, KD IV/2, 496f