Impuls
Kurzer theologischer Impuls
Impuls
Eine traumhafte Woche haben sie in Pinar del Rio erlebt. Dann ist die Gruppe eingetroffen. Seither muss er um ihre Nähe betteln, denn sie ist als Übersetzerin dauernd im Dienst für den Leiter. Nun aber naht das Ende der Studienreise. Sie wohnen auf dem Campus einer Universität nicht weit von La Habana. Am Tag hat es letzte Vorlesungen gegeben. Jetzt feiern sie. Sie gehen hinunter in die koloniale Stadt und essen Eis auf der abendlich belebten Plaza de Armas. Zurück auf dem Campus werden sie von einem hervorragenden Kammerchor überrascht. Er singt Madrigale von Monteverdi so professionell wie einheimische Balladen. Laufend wird Cuba libre gemixt. Der Chorleiter ist Parteimitglied und hat in Weimar deutsches Kantorat studiert. Später am Abend gibt es besten cubanischen Rotwein.
Sehen wir uns noch mal? Heute Nacht? Ja. Damit es nicht auffällt, gehe ich allein, sagen wir, um viertel vor zwölf. Gut, ich gehe um viertel nach. Nach dem Duschen komme ich zu dir. Sieh zu, dass unten die Tür offen bleibt. Ok.
Er leert sein Glas und verschwindet. Die meisten sind schon gegangen. Er nimmt eine ausführliche Dusche und gibt sich einen frischen Geruch. Gegen halb eins schaut er vor die Tür des Männerhauses. Draussen ist es still. Wie ein Bursche schleicht er über weitläufige Höfe. Es ist Vollmond. Eine grosse Ceiba wirft bizarre Schatten auf den betonierten Boden. Er hält sich an Hausmauern. Als endlich das Frauenhaus auftaucht, sieht er ihn und erstarrt. Der Leiter lehnt unten am Stamm eines anderen Baums mit weit ausladender Krone. Er schluckt seine Empörung runter und geht, als sässe er nicht da, an ihm vorbei zum Eingang. Die Tür ist verschlossen.
Mierda! Er steht ratlos herum. Alle Fenster sind dunkel. Plötzlich flüstert es. Die Stimme kommt von innen, dringt durch die Lamellen des hölzernen Fensterladens neben der Tür, klingt verständnisvoll. Willst du rein? Soll ich dir aufmachen? Gern, ja. Ein Mann aus seiner Gruppe lässt ihn rein. Er nickt und lacht wissend, als er mit dem Finger hinter sich auf den unterm Baum deutet. Glücklich ist er, am Ziel zu sein, und fragt nicht, was der andere hier sucht. Auch er fragt nicht. Oben erwartet sie ihn. Sie haben ihre letzte Nacht. Licht brauchen sie nicht. Wann immer er zwischen den Lamellen hinabschaut, sieht er ihn unten sitzen.
2003Matthias Krieg, Zürich
Ich glaube an die grosse Entdeckung. / Ich glaube an den Menschen, der die Entdeckung macht. / Ich glaube an die Angst des Menschen, der die Entdeckung macht. // Ich glaube an die Blässe seines Gesichts, / an seinen Brechreiz, den kalten Schweiss auf der Lippe.
Entdeckung (A), Gedichte 159
Die Evangelisten als Schriftsteller 1975, Reden 31
Meine Liebe ist / vogelfrei / Jeden Tag / könnte der Tod / sie ereilen // Leichtgläubig / lebt sie und / anstandslos / von jedem Bissen / jedem Wort // von jeder Nacht / in der du ihr / ein Lager breitest
Vogelfrei, Wasser 19
Virtue, Individuals to our Care