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Impuls

Kurzer theologischer Impuls

Täglich finden Sie hier eine Anregung, ausgesucht von Matthias Krieg (MK): am So Fotos reformierter Kirchen (MK / ref), am Mo Gedichte der 100jährigen Eva Zeller (25.1.23 / luth), am Di Holzschnitte Hans Holbeins des Jüngeren in der Zürcher Bibel von 1531 (Gen 2 – Num 21 / ref), am Mi Zitate des 100jährigen Walter Jens (8.3.23 / luth), am Do Gedichte der 100jährigen Wisława Szymborska (2.7.23 / kath), am Fr Kurzgeschichten von MK (ref), am Sa Zitate des 300jährigen Adam Smith (Juni 1723 / ref). Fremdtexte stammen aus Eva Zeller, Auf dem Wasser gehen, DVA, Stuttgart 1979; Eva Zeller, Stellprobe, DVA, Stuttgart 1989; Walter Jens, Republikanische Reden, Kindler, München 1976; Wisława Szymborska, Die Gedichte, Suhrkamp, Frankfurt 1997; Wisława Szymborska, Glückliche Liebe, Suhrkamp, Berlin 2017. Holzschnitte und Smith-Zitate aus Theory of moral Sentiments VI (1759) sind dem Netz entnommen (am 28.9.22). Wir danken und laden ein, sich bei Fragen zu melden.

Impuls

Kurzgeschichten

Eine traumhafte Woche haben sie in Pinar del Rio erlebt. Dann ist die Gruppe ein­getroffen. Seither muss er um ihre Nähe betteln, denn sie ist als Über­set­ze­rin dauernd im Dienst für den Leiter. Nun aber naht das Ende der Studien­rei­se. Sie wohnen auf dem Cam­pus einer Universität nicht weit von La Habana. Am Tag hat es letzte Vorlesungen gegeben. Jetzt feiern sie. Sie gehen hinunter in die koloniale Stadt und essen Eis auf der abendlich belebten Plaza de Armas. Zurück auf dem Campus werden sie von einem hervorragenden Kammerchor überrascht. Er singt Madrigale von Monteverdi so professionell wie ein­hei­mi­sche Balladen. Laufend wird Cuba li­bre gemixt. Der Chorleiter ist Partei­mit­­glied und hat in Weimar deut­sches Kantorat studiert. Später am Abend gibt es be­sten cuba­ni­­­schen Rot­wein.

Sehen wir uns noch mal? Heute Nacht? Ja. Damit es nicht auffällt, gehe ich allein, sagen wir, um viertel vor zwölf. Gut, ich gehe um viertel nach. Nach dem Du­schen komme ich zu dir. Sieh zu, dass unten die Tür offen bleibt. Ok.

Er leert sein Glas und verschwindet. Die meisten sind schon gegangen. Er nimmt eine ausführliche Dusche und gibt sich einen frischen Geruch. Gegen halb eins schaut er vor die Tür des Männerhauses. Draussen ist es still. Wie ein Bursche schleicht er über weitläufige Höfe. Es ist Voll­mond. Eine grosse Ceiba wirft bizarre Schatten auf den betonierten Boden. Er hält sich an Hausmauern. Als endlich das Frauenhaus auftaucht, sieht er ihn und erstarrt. Der Leiter lehnt un­ten am Stamm eines anderen Baums mit weit aus­­ladender Krone. Er schluckt seine Empörung runter und geht, als sässe er nicht da, an ihm vorbei zum Eingang. Die Tür ist verschlossen.

Mierda! Er steht ratlos herum. Alle Fenster sind dunkel. Plötzlich flüstert es. Die Stim­­­­me kommt von innen, dringt durch die Lamellen des hölzernen Fen­ster­la­dens neben der Tür, klingt verständnisvoll. Willst du rein? Soll ich dir aufmachen? Gern, ja. Ein Mann aus seiner Gruppe lässt ihn rein. Er nickt und lacht wissend, als er mit dem Finger hinter sich auf den unterm Baum deutet. Glücklich ist er, am Ziel zu sein, und fragt nicht, was der andere hier sucht. Auch er fragt nicht. Oben erwartet sie ihn. Sie haben ihre letzte Nacht. Licht brauchen sie nicht. Wann immer er zwischen den Lamellen hinabschaut, sieht er ihn unten sit­zen.

2003
Matthias Krieg, Zürich
Gedichte der 100jährigen Wisława Szymborska

Ich glaube an die grosse Entdeckung. / Ich glaube an den Menschen, der die Entdeckung macht. / Ich glaube an die Angst des Menschen, der die Entdeckung macht. // Ich glaube an die Blässe seines Gesichts, / an seinen Brechreiz, den kalten Schweiss auf der Lippe.


Entdeckung (A), Gedichte 159
Zitate des 100jährigen Walter Jens Nicht  nur die Gegenstände – auch die Menschen strotzen vor Leben – nicht zuletzt jene, denen die Genre-Szene ein individuelles Profil gibt: der nackte Jüngling zum Beispiel, der bei der Verfolgung durch die Schergen sein Hemd fallen lässt, oder der gelähmte Mann, der von seinen Trägern durch das Dach hindurchgehievt wird.
Die Evangelisten als Schriftsteller 1975, Reden 31
Holzschnitte Hans Holbein d. J.
Genesis 39,17-20
Gedichte der 100jährigen Eva Zeller

Meine Liebe ist / vogelfrei / Jeden Tag / könnte der Tod / sie ereilen // Leichtgläubig / lebt sie und / anstandslos / von jedem Bissen / jedem Wort // von jeder Nacht / in der du ihr / ein Lager breitest


Vogelfrei, Wasser 19
Fotos reformierter Kirchen
Grossmünster / Zürich, Schweiz
Zitate des 300jährigen Adam Smith A sacred and religious regard not to hurt or disturb in any respect the happiness of our neighbour, even in those cases where no law can properly protect him, constitutes the character of the perfectly innocent and just man.
Virtue, Individuals to our Care