Jugendwort 2020: lost
»Sie spüren, wie der Boden unter uns schwankt. Sie merken, was für ein zerbrechliches, hinfälliges, geringfügiges Ding das Leben ist, das ihnen so lieb war. Sie merken, daß der Teufel und die Hölle verborgen sind in der Menschennatur, wenn sie ungehindert ihren eigenen Lauf nehmen darf. Sie merken, daß das bißchen Christentum und Kultur, das wir haben, ein dünner Firnis ist über unserem Wesen, auf den man sich nicht verlassen kann. Sie haben auf einmal das Vertrauen verloren, von dem sie vorher erfüllt waren. Die Welt hat ein anderes Gesicht bekommen. Nebel sind zerrissen, die wir für den Himmel hielten. Götzen sind gefallen, die wir anbeteten. Die Frage: woher kommen wir? und wohin gehen wir? ist uns auf einmal lebendig und brennend geworden. Die Frage: ist das Alles? Ist das nun das Leben, das Menschenleben, das, was sich da von Woche zu Woche furchtbarer vor uns ausbreitet«
Karl Barth, Predigt zu Mk 10,17-23, in: Predigten 1914 (GA I.5), 506