Flugscham
»Was ist durch Auto, Flugzeug und Rakete über die Zeit des Fußmarsches und der Postkutsche hinaus nicht nur anders, sondern besser geworden im menschlichen Dasein: (...) hinsichtlich des Verständnisses und der Meisterung seiner eigentlich brennenden Probleme und Nöte, hinsichtlich der realen Beziehungen von Mensch zu Mensch? Haben sie uns auch nur eine offenere, tiefere, fruchtbarere, schönere, gütigere Anschauung des uns umgebenden Kosmos (...) vermittelt? Fährt der moderne Reisende nicht an hundert bemerkenswerten Dingen stur vorbei: blind, wo seine Vorfahren noch sehend waren (...)? Ist das Leben durch unsere glücklich erreichten Schnelligkeiten nun wirklich leichter – nicht auch schwerer geworden? Oder ist zu erwarten, daß sich das Alles durch weitere Beschleunigungen unseres Laufes finden möchte: etwa mit Hilfe atomar getriebener Vehikel oder wenn es erst wirkliche Weltraumkutschen geben, wenn auch der Mond dem nach der Venus Reisenden keines Blickes mehr wert sein wird?« (Karl Barth, KD IV/4, Fragmente aus dem Nachlass 1959-1961, 395)