Alles für den Eigennutzen
»Das Verhältnis eines heutigen Fabrikanten zu seinen Arbeitern ist eben wirklich nicht ein Abbild des Verhältnisses Jesu zu seinen Jüngern, sondern etwas total Anderes. Einem Menschen kann man sich willig und freudig unterordnen, aber wie kann man zufrieden sein, wenn man einmal gemerkt hat, daß es ja im Grunde doch nur um das goldene Kalb geht? Und nun verschwindet aus diesem Verhältnis Zug um Zug alles Freundliche, Gute, das es natürlicher Weise an sich haben könnte. Wer kann denn heute in abhängiger Stellung seine Arbeit aus eigenem Herzen tun, wie Paulus sagt, wenn er doch sieht, daß er als Mensch mit einem Herzen da gar nicht in Betracht kommt, sondern nur als ein Stück Maschine, das man heute ein- und morgen ausschaltet? Wie kann man in dieser Lage mit gutem Willen arbeiten, wo man doch nur den Götzen Mammon sich gegenüber hat (…)? Wie kann man im modernen Wirtschaftsleben uneigennützig sein, wo Alles auf den Eigennutzen eingerichtet ist und nach Eigennutzen verlangt, weil der Gott dieses Lebens der Eigennutzen selbst ist?«
Karl Barth, Predigt zu Eph 6,5-9, in: Predigten 1919 (GA I.39), 303