Lebensbedingungen aller
»Das Prinzip: mens sana in corpore sano [ein gesunder Geist in einem gesunden Körper] kann ein höchst kurzsichtiges und brutales Prinzip sein, wenn es nur individuell, wenn es nicht in der Erweiterung verstanden wird: in societate sana [in einer gesunden Gesellschaft]. Und diese Erweiterung kann nicht nur bedeuten, daß dafür gesorgt sein muß, daß die Wohltaten der Hygiene, des Sportes und der Medizin allen oder doch möglichst vielen zugute kommen. Sie muß bedeuten, daß eben die allgemeinen Lebensbedingungen Aller oder doch möglichst Vieler so gestaltet werden, daß sie als solche für deren Gesundheit nicht nur keine negative, sondern die positive, präventive Wirkung bekommen, die sie ja für viele Bevorzugtere, wenn auch in verschiedenem Maß, faktisch schon haben. Der Wille zur Gesundheit eines Jeden muß also auch die Gestalt des Willens (...) zu einer neuen, ganz anderen, bessere Lebensbedingungen für Alle garantierenden Gesellschaftsordnung – annehmen.«
Karl Barth, § 55 Freiheit zum Leben (1951), in: KD III/4