Provokation

Herausforderung

Absurdes und Nachdenkenswertes aus den sozialen Medien kommentiert von Georg Rieger

Es könnte für immer sein »Es gibt Menschen, die uns geradezu verderblich sind. Da handelt es sich nicht bloß um Irrwege, die wir früher oder später wieder verlassen können, sondern da handelt es sich um unser Schicksal, wenn wir uns ihnen anvertrauen. Besonders junge Menschen sollten sich vorsehen vor der furchtbaren Gefahr, daß Einer kommt und ihnen Gift in die Seele träufelt. Es könnte für immer sein.« (Karl Barth, Predigt zu Joh 2,23-25, in: Predigten 1913 (GA I.8), 47f)
Alte Tante SPD

»Aber immerhin – ich habe über der deutschen Sozialdemokratie noch eine prophetische Wolke schweben gesehen, die sich dann merklich entfernt hat, und am Ende des [1. Welt-]Krieges ist die dann gänzlich bei den Spartakus-Leuten und der damaligen Linken stehengeblieben und hat sich dann noch weiter nach links verzogen. Und nun könnte ich ja nur sagen: Es ist nicht schlechterdings unmöglich, daß die SPD sich in einer künftigen Situation vielleicht von ihrer Krankheit [erholt], unter der sie auch in der Schweiz leidet« (Karl Barth, Gespräch 1963, in: Gespräche 1963 (GA IV.41), 81).

Klima-Leugner

»Versäumt der Mensch seine Verantwortung diesem [Schöpfer]Gott gegenüber, so kann er durch keine Berufung auf seine geschöpfliche Geringfügigkeit und Ohnmacht entlastet und entschuldigt sein.« (Karl Barth, KD III/3, 235)

Hüter der Freiheit

»Anders steht nun die Sache, wo Volksbehörden eingesetzt sind, um die Willkür der Könige zu mäßigen (...). Wo das also so ist, da verbiete ich diesen Männern nicht etwa, der wilden Ungebundenheit der Könige pflichtgemäß entgegenzutreten, nein, ich behaupte geradezu: wenn sie Königen, die maßlos wüten und das niedrige Volk quälen, durch die Finger sehen, so ist solch ihr absichtliches übersehen immerhin nicht frei von schändlicher Treulosigkeit; denn sie verraten ja in schnödem Betrug die Freiheit des Volkes, zu deren Hütern sie, wie sie wohl wissen, durch Gottes Anordnung eingesetzt sind!« (Calvin, Institutio IV, 20,31).

Mauerangst

»In der Welt haben wir Angst. (...) Angst vor ihr, ob sie nicht schon die Hölle oder doch ein einziges Narrenhaus oder doch ein einziges großes Spital für Unheilbare sein möchte, Angst vor dem Mitmenschen als dem uns ewig Fremden, Angst  (...) vor unserer Vergangenheit und vor unserer Zukunft, vor unserem Versagen und vielleicht noch mehr vor unserem Können, vor unserem Sterben und vielleicht noch mehr vor unserem Leben, Angst vor unserem eigenen Bild, wie es uns aus dem Spiegel anschaut. Endlich und zuletzt aber Angst vor dem, von dem her, durch den und zu dem hin wir sind – Angst vor Gott in seiner allmächtigen und allgegenwärtigen Heiligkeit.« (Karl Barth, Predigt zu Joh 16,33 (1952), in: Predigten 1935-52 (GA I.26), 396).

Flugscham

»Was ist durch Auto, Flugzeug und Rakete über die Zeit des Fußmarsches und der Postkutsche hinaus nicht nur anders, sondern besser geworden im menschlichen Dasein: (...) hinsichtlich des Verständnisses und der Meisterung seiner eigentlich brennenden Probleme und Nöte, hinsichtlich der realen Beziehungen von Mensch zu Mensch? Haben sie uns auch nur eine offenere, tiefere, fruchtbarere, schönere, gütigere Anschauung des uns umgebenden Kosmos (...) vermittelt? Fährt der moderne Reisende nicht an hundert bemerkenswerten Dingen stur vorbei: blind, wo seine Vorfahren noch sehend waren (...)? Ist das Leben durch unsere glücklich erreichten Schnelligkeiten nun wirklich leichter – nicht auch schwerer geworden? Oder ist zu erwarten, daß sich das Alles durch weitere Beschleunigungen unseres Laufes finden möchte: etwa mit Hilfe atomar getriebener Vehikel oder wenn es erst wirkliche Weltraumkutschen geben, wenn auch der Mond dem nach der Venus Reisenden keines Blickes mehr wert sein wird?« (Karl Barth,  KD IV/4, Fragmente aus dem Nachlass 1959-1961, 395)

50 Jahre Internet

»Es begannen die ersten Eisenbahnen durch Europa zu rasseln, die ersten Dampfschiffe über den atlantischen Ozean zu fahren, die ersten elektrischen Telegraphen zu spielen, die ersten Vorläufer der heutigen Photographie gerade das leibliche Antlitz des Menschen, wie er ist, zu verewigen. Es begann das große Interesse eines bemerkenswerten Teils der abendländischen Intelligenz an den Problemen einer sehr realen Erwerb verheißenden Technik. Es begann dementsprechend die Riesenabwanderung der städtischen und ländlichen Massen in die Fabriken, die Eisenhütten, die Bergwerke. Die Menschengestalt des Roboters, der nach seiner Seele nicht frägt und auch nicht gefragt ist und darum auch nach der Anderer nicht fragen kann, der von einem anonymen Machtzentrum her geschaffen, bewegt, regiert, gebraucht und nach Verbrauch beiseitegeworfen und durch einen Anderen seinesgleichen ersetzt wird, diese materialistische Menschengestalt war jetzt im Aufstieg.« (Karl Barth, KD III/2 (1948), 464).

In der Mitte der Partei

»Das Nichtige lügt eben auch und vor allem in der Form, daß es sich selbst bagatellisiert und unsichtbar macht, daß es einen frisch-fröhlichen Optimismus um sich her verbreitet, daß es sich damit begnügt, (...) tatsächlich ein mächtiges und raffiniert regiertes und verwaltetes Reich zu sein (...). Das Nichtige jubiliert geradezu, wenn es bemerkt, daß es nicht bemerkt, daß es womöglich tapfer entmythologisiert wird, (...) wenn nur seine Wirklichkeit als das Nichtige dabei schön unaufgedeckt und unangerührt bleibt!« (Karl Barth, KD III/3 (1950), 617)

Syrien-Schach

»In Jerusalem der König Herodes, im Tempel die großen, frommen Gottesmänner, in den Städten am Meer die Geschäftsleute mit ihrem Handel mit aller Welt, in Syrien der Landpfleger Cyrenius mit seinen Gesetzen und seiner Polizei, in Rom der Kaiser Augustus in seiner Herrlichkeit, das waren die wichtigen Leute damals, die Leute, auf die es ankam. Auf die Hirten von Bethlehem kam nicht viel an, das waren keine wichtigen Leute.« (Karl Barth, Predigt zu Lk 2,9, in: Predigten 1916 (GA I.29), 423) 

Antisemitische Pest

»Mag denn jemand hinweghören können über all den unsagbaren Jammer, der eben jetzt in allen deutschen Landen, verursacht durch die antisemitische Pest, gen Himmel schreit. Wie aber ist es möglich, daß uns Christen nicht die Ohren gellen angesichts dessen, was diese Not und Bosheit sachlich bedeutet? Was wären, was sind wir denn ohne Israel?« (Karl Barth, Die Kirche und die politische Frage von heute (1938), in: Eine Schweizer Stimme: 1938-1945, 90) 

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