Provokation
Herausforderung
»Wir glauben einfach nicht daran, dass ein Volk das erste und stärkste sein müsste auf Unkosten aller übrigen. Wir glauben nicht daran und wollen nicht daran glauben, dass dem Wohl der Völker damit gedient sei, dass man ihnen immer wieder vorsagt: die Anderen dort drüben sind eure Feinde! Es gibt genug Plätze an der Sonne, die Alle genießen könnten, wenn Alle ihrer Selbstsucht und ihrem Hochmut einmal etwas Einhalt gebieten würden, wenn Alle sich als Brüder, statt als Konkurrenten und Gegner fühlen und benehmen würden. Wir können in diesem ganzen Machtkampf nur einen furchtbaren Wahnsinn erblicken, und darum können wir weder der einen noch der anderen Partei einfach den Sieg wünschen, denn wenn jetzt eine der beiden Parteien siegen sollte, dann wird dadurch die Selbstsucht und der Hochmut, die an allem Unheil schuld sind, nicht gebrochen, sondern erst recht gestärkt werden. Auf Seiten der Sieger wird dann der Übermut und auf Seiten der Besiegten die trotzige Rachsucht Platz greifen« (Karl Barth, Predigt zu Jes 30,15, in: Predigten 1914, GA I.5, 448f).
»Die Menschheit sehnt sich nach Freiheit und Kultur und, um dahin zu gelangen, schlägt sie fürchterlichste Irrwege ein. Ausbeutung und Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Gewalt hält sie für die richtigen, notwendigen Mittel zur Erlangung der höchsten Güter und verachtet damit Tag für Tag aufs neue Alles, was ihre Sehnsucht schon geschaffen.« (Karl Barth, Predigt zu Römer 2,14-16 (1915), in: Predigten 1915, GA I.27, 230)
»Wenn einmal eine von diesen vielen Atom-Bomben und Wasserstoffbomben, die jetzt in der Welt herumliegen, losgeht - und wir sind alle nicht gesichert davor, daß einmal plötzlich durch irgendeinen Narren, der auf den falschen Hebel drückt, eine losgeht -, dann ist eben Schluß. Und nun also damit spielen oder das noch in Rechnung ziehen als Kriegsinstrument, das ist Unsinn.« (Karl Barth, in: Gespräch 1963, GA IV.41, 72)
"Am Ende meiner Laufbahn, meines unermüdlichen Kletterns bin ich das geworden, was ich sein wollte, es ist erreicht, aber ohne Gott erreicht. Das ist die schrecklichste Hölle, wenn unser Planen gelingt, unser Ziel erreicht wird. Stellen wir uns nur ja nicht die Hölle vor als einen Ort, wo man dauernd geprügelt oder geschmort wird. Es werden dort lauter große Herren und nette Leute beisammen sein, aber große Herren und nette Leute ohne Gott. Und die nun in dem, was sie im Leben wollten und erreicht haben, verharren dürfen, von Ewigkeit zu Ewigkeit verharren müssen." (Karl Barth, Vier Bibelstunden über Lukas 1 (1934), in: Ders., Predigten 1921-1935, GA I.31, 520)
»Wir tun, als ob wir uns gewöhnen könnten an diesen Zustand unseres Lebens und unserer Weltordnung. Wir tun, als ob man doch auch in diesem Zustand ganz behaglich, fröhlich, frei und fromm sein könnte. Wir leisten uns lärmende, überschäumende Freudenstunden, als ob sie nicht ein Hohn wären auf unser gewöhnliches, freudloses Leben. Wir umgeben unser Staats- und Kulturleben mit einem Glanz und einer Wichtigkeit, als ob wir tatsächlich ein freies, glückliches Volk wären. Wir bauen Kirchen und Anstalten und geben Almosen aus dem Geld, an dem Blut und Tränen und Seufzer kleben. (...) Ja, das können wir, soweit bringen wir's! Man kann ja auch auf einem untergehenden Schiff noch Musik machen und tanzen, man kann!« (Karl Barth, Predigt zu 1 Joh 1,6, 1916)
»Ich weiß wohl, dass der Satan, der ja in vielen Dingen Gott nachahmt, um in solcher trügerischen Ähnlichkeit (mit Gott) um so leichter in die Herzen der Einfältigen einzudringen, auch jene gottlosen Irrtümer, mit denen er arme Menschen täuschte, zuweilen listig in kunstloser und fast barbarischer Sprache ausgestreut (...) hat, um unter solcher Maske seine Betrügereien zu verstecken. Aber wie eitel und abscheulich solches Streben ist, das spürt jeder einigermaßen verständige Mensch.« (Calvin, Institutio I, 8, 2 (1559))
"Die Völker haben die Regierungen, die sie verdienen, und bekommen von ihnen zurück, was sie selber sind und wollen. Und nun scheint es mir nicht so sicher, dass die Völker – und dazu gehören auch du und ich, lieber Hörer! - wirklich den Frieden und nicht den Krieg wollen: so ernsthaft nämlich, dass auch die Regierungen es merken und sich danach richten müssten." (Karl Barth, Was sollen wir denn tun?, 1952)
»Wir betrachten (...) sorgenvoll unsere durch so viele obdachlose Autos immer mehr eingeengten Gassen und Wege, betrachten auch die oft langsam genug sich fortbewegenden abendlichen ›Verkehrsschlangen‹ auf den Aus- und Einfallsstraßen unserer Städte – und fragen uns schüchtern: ob nicht der zunehmende Verkehr selbst (...) endlich und zuletzt zum gewaltigsten Verkehrshindernis werden könnte und wie es in dieser Hinsicht in vielleicht nicht zu ferner Zeit auch in der Luft aussehen und zugehen möchte? Und wie könnten wir es unterlassen, die täglich erscheinenden Listen der sogenannten ›Verkehrsunfälle‹ und ihrer Opfer zu betrachten, deren Zahlen in ihrer Gesamtheit da und dort (1960 in Europa 65.000 ›Verkehrstote‹) die Verlustlisten des Krieges erreicht und schon überschritten haben? [Wir] (...) betrachten übrigens nebenbei auch die Verwüstung der Landschaft durch die Ackergrund, Weideboden und ganze Dörfer rücksichtslos durchschneidenden Autostraßen – und fragen: ob die dem motorisierten Menschen erlaubte Schnelligkeit mit ihrem weithin offenkundig lebensfeindlichen Charakter nicht doch sehr teuer erkauft sein möchte?« (Karl Barth, Die herrenlosen Gewalten, GA II.7, S. 395, 1959-1961)
»Was verbietet Gott im achten Gebot? Gott verbietet nicht nur Diebstahl und Raub, die nach staatlichem Recht bestraft werden. Er nennt Diebstahl auch alle Schliche und betrügerischen Handlungen, womit wir versuchen, unseres Nächsten Gut an uns zu bringen, sei es mit Gewalt oder einem Schein des Rechts: mit falschem Gewicht und Maß, mit schlechter Ware, gefälschtem Geld und Wucher, oder mit irgendeinem Mittel, das von Gott verboten ist. Er verbietet auch allen und alle Verschwendung seiner Gaben.« (Heidelberger Katechismus, Frage 110)
»Wenn die Menschen jemand ihr Vertrauen schenken, dann erwarten sie von ihm (...) große Taten in Worten und Werken. Wenn das Reich Gottes verkündigt wird, dann möchten sie sehen, wie nun irgend etwas angestellt oder doch angefangen wird zur Bekämpfung bestimmter Ungerechtigkeiten, Übelstände und Heucheleien. (…) Und darum hat man auch nicht Jesus allein, sondern den Knecht Gottes zu allen Zeiten mit Güte und Gewalt dazu treiben wollen, Politiker zu werden oder Reformator oder Vereinspräsident oder Sittenverbesserer« (Karl Barth, Predigt zu Jes 53,7-9, 1915)