Provokation

Herausforderung

Absurdes und Nachdenkenswertes aus den sozialen Medien kommentiert von Georg Rieger

Merkwürdige Konstellationen

»Kurzum, es müssen merkwürdige himmlische Konstellationen sein, unter denen sich Mitteleuropa wieder einmal befindet. Ob wohl gerade Vollmond ist und also besondere Wirksamkeit der Sonnenprotuberanzen? Jedenfalls keine lustige noch liebliche Welt. Aber wir wollen uns nicht vergelstern [=einschüchtern] lassen.« (Karl Barth, Brief an Charlotte von Kirschbaum am 26.9.1933, in: GA V.45, 341f) 

Seawatch 3

»Das Himmelreich läßt sich nicht aufhalten, sein Weg kann wohl für eine Weile durchkreuzt, aber nicht auf die Länge gesperrt werden. Seine lebendigen Wasser können durch das Gerede und Getue der Unverständigen und Boshaften wohl eine Weile gestaut werden, nachher brechen sie nur umso mächtiger durch. Laß sie nur reden und urteilen über dich, allerhand planen und vornehmen gegen dich! Das (...) kann dich in ernste, schwierige Lagen bringen. Das Himmelreich kann nur stärker werden und wachsen, je mehr man dich plagt.« (Karl Barth, Predigt zu Mt 10,17-20, in: Predigten 1916 (GA I.29), 131).

dann ist eben Schluss

»Wenn einmal eine von diesen vielen Atom-Bomben und Wasserstoffbomben, die jetzt in der Welt herumliegen, losgeht – und wir sind alle nicht gesichert davor, daß einmal plötzlich durch irgendeinen Narren, der auf den falschen Hebel drückt, eine losgeht –, dann ist eben Schluß. Und nun also damit spielen oder das noch in Rechnung ziehen als Kriegsinstrument, das ist Unsinn.« (Karl Barth, in: Gespräch 1963, GA IV.41, 72)

Dumm aus der Wäsche

»Die Dummheit ist genial darin, alles zur Unzeit zu meinen, alles den unrichtigen Leuten zu sagen, alles in verkehrter Richtung zu tun, keine Möglichkeit misszuverstehen und missverständlich zu sein, vorübergehen zu lassen, das Einfache, das Notwendige, das eben jetzt Geforderte regelmäßig zu unterlassen, um dafür mit sicherem Instinkt das Komplizierte, das Überflüssige, das eben jetzt nur Störende und Aufhaltende zu wählen, zu wollen und zu tun.« (Karl Barth, KD IV/2, 465) 

Kostenpflichtiges Allwissen

»Ja, Gott sieht und hört das in uns, was wir selbst nicht sehen und hören, und was Gott sieht und hört, das ist, das ist Wahrheit, mehr Wahrheit als alles Andere, was sonst leider wahr ist.« (Karl Barth, Predigt zu Mt 18,21-35, in: Predigten 1919 (GA I.39), 387)
 

Der liebe Gott selbst

»Man denkt fast mit Entsetzen an das deutsche Märchen — hätte man sich doch in Deutschland beizeiten an dieses Märchen erinnert! — von dem Fischer, der sich auf das Geheiß seiner Frau Ilsebill von einem Fisch, der eigentlich ein verzauberter Prinz ist, zuerst eine wohnliche Hütte, dann ein steinernes Haus, dann ein Schloß, dann einen Königsthron, dann den Kaiserthron wünscht, der alles das nacheinander wirklich erhält, um endlich, als er der liebe Gott selbst zu werden begehrt, wieder in den Schweinekofen zurückversetzt zu werden, von dem er ausgegangen war.« (Karl Barth, Die Deutschen und wir (1945), in: Eine Schweizer Stimme: 1938-1945, Zollikon-Zürich 1945, 346)
 

Österreichische Dämonen

»Zwischen Himmel und Hölle, zwischen dem, was von oben kommt und dem Widerlichen, das ihm von unten her entgegenstößt und entgegenwirkt und seinerseits gerne oben wäre, ist nichts Gemeinsames. Es ist also ein Unfug, von Gott und vom Teufel, von den Engeln und von den Dämonen in einem Atemzug zu reden. Es gibt keinen Nenner, auf dem sie beide zu finden wären. Denn es gibt keine Wurzel, aus der sie gemeinsam erwachsen wären.« (Karl Barth, KD III/3, 609) 

Böser Blick

»Ist denn die ganze Welt unter den Bann des bösen Blickes der Riesenschlange geraten?« (Karl Barth an Josef Hromádka am 19.9.1938, in: Offene Briefe 1935-1942 (GA V.36), 113f) 

Maria 2.0

»In der Frage, ob sie [d.h. Frauen] in (...) der Kirche nicht nur mitreden, sondern verantwortlich mitwirken – nicht dürften, sondern sollten, kann es nach allen Regeln gesunder christlicher Erkenntnis keine Diskussion geben. ›In Christus‹ jedenfalls (das sage nicht ich, das sagt der Apostel Paulus [Gal 3,28]) gibt es wie zwischen Judenchristen und Heidenchristen, wie zwischen abhängig und unabhängig Arbeitenden, so auch zwischen Männern und Frauen keinen Gegensatz der Gnade, des Glaubens und des Gehorsams. Hier jedenfalls hat die Männerherrschaft ihre Grenze und mit ihr die Unverantwortlichkeit, das bloß passive Dabeisein und Hinnehmen der Frauen. Hier, als Glieder der Gemeinde, in der Unterordnung unter deren Herrn und im Tun des ihr von ihm aufgetragenen Werkes können Männer und Frauen nur gemeinsam Erste und Letzte, Gebende und Empfangende sein, nicht ein Geschlecht im übergeordneten oder untergeordneten Verhältnis zum anderen.« (Karl Barth, Brief an Margrit Studer (Mai 1963), in: Offene Briefe 1945-1968 (GA V.15), 510).

Zeitgemäßheit

»Nun ist der an die Kirche herangetragene Ruf nach Reform keineswegs neu. Er ist vielmehr schon so oft erklungen, daß er längst nicht mehr ernst genommen wird und damit der Unglaubwürdigkeit anheimgefallen ist. Wer etwa auf dem Porscheplatz in der deutschen Stadt Essen auf den Bus wartet, wird bald auf eine Leuchtschrift aufmerksam, die ihm über den neuesten Siegestreffer des 1. FC Köln oder eine epochemachende Errungenschaft auf dem Suppenmarkt in Kenntnis setzt. Die Reklamepraxis längst gewohnt, wird sich der Leuchtschriftleser kaum aus der Fassung bringen lassen, wenn ihm auch das Sprüchlein ›Mach mal Pause‹ über die 3900 Glühbirnen besagter elektrischer Anlage entgegenblinkt. Verwunderlich ist aber, daß der Text nach der Anleihe bei der Werbung für ein Getränk fortfährt: ›Ein guter Rat, nicht nur zum Trinken. Mach mal Pause. Auch zum Gespräch mit Gott.‹ Die neueste Errungenschaft also einer modern sein wollenden Kirche, einer Kirche, die sich aus dem verzweifelten Ringen heraus, die Welt zu erweichen, nicht scheut, Gottesdienst mit Jazzbegleitung feilzubieten. Sie merkt nicht, daß sich die solchermaßen angesprochene Welt von diesem Schaubuden-Christentum degoutiert abwendet, weil sie ebensowenig das Bedürfnis hat, morgens in die Kirche zu gehen, um Komödien zu schauen, wie sie abends das Theater aufsucht, um sich an Predigten zu erbauen. Wo Jazzharmonien den Staub auf den Kirchenbänken erzittern lassen, wo die Junge Kirche in Tanzabenden und geselligem Kinobesuch zur Eheanbahnung für Jugendliche wird, wo ›Pfarrherren von heute‹ mittels Wildlederjacke und Khakihose ihre ›Zeitgemäßheit‹ demonstrieren wollen, wo kirchliche Manager die ›Werbetrommel des lieben Gottes‹ rühren, ist das Feuer der Reform nur noch ein bescheiden knisterndes Fünklein, das kaum mehr einen Strohhalm zu entfachen vermag.« (Karl Barth, An die Basler Nachrichten (1965), in: Offene Briefe 1945-1968 (GA V.15), 515f)  

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