Provokation

Herausforderung

Absurdes und Nachdenkenswertes aus den sozialen Medien kommentiert von Georg Rieger

Kein gutes Haar

»Was für Zeiten! Es vergeht doch kein Tag, an dem die Zeitung nicht irgend eine neue Bestätigung dafür brächte, dass da draußen eine Clique von offenkundig Wahnsinnigen am Regimente ist.« (Karl Barth-Charlotte von Kirschbaum Briefwechsel I 1925-1935 (GA V.45), 293) 

Gretas Zorn

»Wer nicht zürnen kann, der ist ein Lump. Gerade gegen die Lüge z. B. gibt's nichts Anderes als Zorn, wenn sie uns begegnet. Wer es mit Gelassenheit ertragen kann, mitanzusehen, was der Größenwahn der Menschen für Verheerungen anrichtet, der hat jedenfalls nichts Heiliges zu hüten. Zorn ist Ablehnung, Widerspruch, entschiedenes Nein, und das mit Leidenschaft, aus vollem Herzen. Gott braucht diesen gerechten Zorn, wie man ein scharfes Messer braucht oder ein gefährliches Gift in der Medizin« (Karl Barth, Predigt zu Eph 4,25-5,2, in: Predigten 1919 (GA I.39), 252) 

Brandstifter

»Ist es nicht Tatsache, daß der Nationalsozialismus seine Herrschaft in Deutschland auf eine der größten, weil bewußtesten Betrügereien der Weltgeschichte begründet hat – auf eine Betrügerei, wie sie m. W. nun doch weder am Anfang der englischen noch an dem der französischen Revolution zu finden ist – nämlich auf den, wie man heute wissen kann, von den Nationalsozialisten selber veranstalteten Reichstagsbrand, auf Grund dessen die Presse und politische Arbeit der Opposition unterdrückt und jene knappe ›nationale‹ Mehrheit bei der Reichstagswahl von 1933 erzielt wurde, aus der dann, wieder mit Tücke und Gewalt, die nationalsozialistische Alleinherrschaft hervorging?« (Karl Barth, Die Kirche und die politische Frage von heute (1938), in: Eine Schweizer Stimme: 1938-1945, 91)

Alle hatten ihre Zeit

»Ja, es hatten Alle ihre Zeit: der Engländer mit seinem Weltreich, der Franzose mit seiner großen Nation, der Hitler mit seinem tausendjährigen Reich, der Amerikaner, der die ganze Welt kaufen wollte, der Russe mit seinem Weltkommunismus, der Ungar mit seinem stolzen Heldenmut und so auch der Schweizer mit seiner großen Selbstzufriedenheit und Selbstgerechtigkeit. Alle hatten ihre Zeit. (...) Es ging Alles seinen Gang bis zu diesem Moment. Jetzt aber schlägt die Stunde, die alte ist abgelaufen, die neue beginnt. Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen.« (Karl Barth, Predigt zu Mk1,14-15 (1956), in: Predigten 1954-1967 (GA I,12), 67)

Der Tod des Staates

»Der Mißbrauch der Regierung und ihm folgend der Tod des Staates tritt immer da ein, wo der Sinn des Staates dadurch verlorengeht, daß die ihn begründende Konvention durch Aufrichtung irgend einer Tyrannei zerrissen wird (...). Auf dieselbe Linie mit der Tyrannei gehört aber auch eine solche Auffassung der legislativen Gewalt, bei der die Abgesandten des Volkes sich als Vertreter (...) statt ebenso wie die Exekutive als dessen Beauftragte (...) fühlen und betragen. In dem Augenblick, wo ein Volk sich Vertreter gibt, ist es nicht mehr frei, ja, ist es nicht mehr Volk. Denn in dem Augenblick, wo man im Gedanken daran, im Parlament seinen Vertreter zu haben, sagen kann: Das politische Leben geht mich nichts an! ist der Staat als solcher verloren.« (Karl Barth, Die protestantische Theologie im 19. Jahrhundert, Zürich 4. Aufl. 1981, 168)

Grönland-Eisverkäufer

»Geld, das (...) brutale Tatsachen schaffen kann - jetzt eine Konjunktur zum Steigen, jetzt dieselbe zum Fallen bringt, jetzt eine Krise aufhält, jetzt eine solche auslöst, jetzt dem Frieden dient, aber mitten im Frieden schon kalten Krieg führt, den blutigen vorbereitet und schließlich herbeiführt (...). Es kann (.) das Alles und tut es auch (...). Und nicht abzusehen, was daraus würde, wenn Mammon sich etwa auch noch mit dem anderen Dämon, Leviathan, dem politischen Absolutismus zusammenfinden, schlagen und vertragen sollte!« (Karl Barth, Das christliche Leben 1959-1961 (GA II.7), 382) 

Übergegangen

»Wer vierzig oder fünfzig Jahre lang in kurzen Gedanken gelebt hat, sich darin verhärtet und verstockt hat, in der innern Faulheit, in der Freude an Nichtigkeiten, im Geschwätz und Geträtsch, in der feinen Eigenliebe und in der groben Selbstsucht, der hat es schwer, den Weg wieder zurückzufinden zu den großen Gedanken Gottes. Und darum sollen die Jungen, die noch anders können, sich wehren gegen diese Krankheit, bevor es zu spät ist. Sollen sich nicht anstecken lassen von dem allgemeinen engen, kleinlichen Wesen. Sollen sich losmachen von dem, was vielleicht schon auf sie übergegangen ist.« (Karl Barth, Predigt zu Jes 55,8-9, in: Predigten 1913 (GA I.8), 456) 

Weltklima-Ratlosigkeit

»Wenn wir in die Menschenwelt hineinsehen, o, da[nn sehen wir] immer nur Adam und Eva, die vom Paradies ausgeschlossen werden (...). Da sehen wir das Schicksal regieren und den Teufel, da sehen wir in den Abgrund hinein. Wenn wir in den Spiegel und in die Zeitung gucken und wollen dann überhaupt noch an Gott denken, dann muß uns Gott ganz schrecklich vorkommen. Finster und böse steht er da im Hintergrund, gleichsam an die Wand gedrückt von all der Gottlosigkeit. Eine dunkle Erinnerung sagt uns, daß diese unsere ganze Welt etwas ganz Anderes ist als das, was Gott will, daß Gott eigentlich nichts Anderes im Sinn haben kann als die Zerschmetterung dieses ganzen Wesens. Und zu der Last, die wir ohnehin haben mit unserem bösen Gewissen, mit unserem Erdenleid, (...) gesellt sich als doppelte Last die Gewißheit, daß Gott, wenn er ist, gegen uns sein muß.« (Karl Barth, Predigt zu Jes 44,21-23, in: Predigten 1916 (GA I.29), 381f) 

Wortpatronen

»Könnten nicht auch wir irrewerden bei diesem jammervollen Schauspiel, irre an Gott, (...) irre daran, ob wirklich die Liebe das Größte und Stärkste ist in der Welt? Sind nicht die bösen ›Engel, Fürstentümer und Gewalten‹ viel, viel größer und stärker? Ist nicht alles Göttliche und Gute bloß ein heuchlerischer Vorwand, den diese bösen Kräfte brauchen, um die Menschen um so sicherer und um so gewaltiger in den Unfrieden, in den Tod, in die Hölle hineinzutreiben? Eine Waffe, die ihnen der Teufel in die Hand drückt und die sie nun eben gebrauchen, wie sie ihre Geschütze und Gewehre und ihre spitzen Worte gebrauchen?« (Karl Barth, Predigt zu Röm 8,38-39, in: Predigten 1914 (GA I.5), 530). 

Englisches Hunderennen

»Denn das heißt verstoßen sein in ein Labyrinth ohne Ausgang, verurteilt sein zu einer Sisyphusarbeit ohne Hoffnung, zu einem jagenden Gejagtsein im Kreis herum – wohl vergleichbar jenem Wettspiel, in welchem man in England Hunde hinter einem mechanisch in Bewegung gesetzten Hasen, den sie nie erwischen werden, herrennen läßt. Nur daß es hier um keinen Hund und um kein Wettspiel, sondern um den Menschen, das Geschöpf, dem Gott sich verbündet hat, und um sein einziges Leben geht, und daß der Mensch selber hier zugleich der Verfolgte und der Verfolger, der Genarrte und der sich selbst zum Narren Haltende ist.« (Karl Barth, KD IV/1 (1953), 517) 

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