Provokation

Herausforderung

Absurdes und Nachdenkenswertes aus den sozialen Medien kommentiert von Georg Rieger

Widerstand und Diskussion

Wie sinnvoll ist es, mit Menschen zu diskutieren, die eine menschenfeindliche Haltung an den Tag legen. Oder gar offen faschistische Ideen propagieren. Dazu gehört zum Beispiel die völkische Idee von der unterschiedlichen Wertigkeit von Menschen deutscher und anderer Herkunft.

Ist das noch Protest gegen eine Benachteiligung durch die gesellschaftlichen Umstände oder die Chancen-Ungleichheit im wirtschaftlichen System? Der als Komiker nicht hinreichend beschriebene Hape Kerkeling hat dazu gepostet: „Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass Faschismus jemals durch Diskussion beendet wurde.“

Kerkeling hält viele Menschen, die solchen Ideen anhängen, für ansprechbar. Diejenigen, die sie offensiv vertreten, aber nicht. Da scheitern alle rhetorischen Mittel. „Wenn Ihr Gegner glaubt, dass Schwarz Rot ist, dann haben Sie verloren.“

Und Kerkeling weiter: „Wir haben gesehen, wie wir [1933] in diese Katastrophe gerutscht sind. Daraus müssen wir dringend Lehren ziehen. Es sollte doch heute vermeidbar sein, rechte überhaupt erst an die Macht zu lassen. Ich hoffe inständig, wir haben aus der Geschichte gelernt und erwehren uns, bevor es zu spät ist.“

Quelle: t-online, Interview mit Hape Kerkeling am 8.3.24 (Steven Sowa)


Georg Rieger, Nürnberg
Beihilfe oder Hilfe?

Die BILD-Zeitung hetzt in ihrer Ausgabe vom 29. August gegen eine Anwältin, die Flüchtlingen zu ihrem Recht verhilft. Vor dem Hintergrund des Attentats von Solingen soll das als eine Art Beihilfe zum Mord geframed werden.

So könnte es bald auch Kirchengemeinden gehen, die sich für Geflüchtete einsetzen – durch Kirchenasyl oder Integrationshilfe. Dieses Gutmenschentum sei naiv und spiele den Terroristen in die Karten. So ist es jetzt schon zuweilen vernehmbar.

Genau das Gegenteil ist der Fall: Jede mitmenschliche Aktion und jede gelungene Integration ist den Islamisten ein Dorn im Auge. Sie reden den Muslimen hier ein, dass sie sich in Europa in feindlicher Umgebung befinden. Je frustrierter Menschen sind, desto besser greift dieses Narrativ. Deshalb sind Menschenfreundlichkeit und Integration geeignete Mittel, um Islamisten das Wasser abzugraben.

Natürlich auch andere Maßnahmen, z.B. die Früherkennung von Radikalisierung und das Einwirken auf muslimische Verbände. Dazu zwei informative Podcasts:

Tag für Tag (DLF): Murat Kayman, Attetat in Solingen - Publizist: Reaktion muslimischer Organisationen kontraproduktiv.

Politik mit Anne Will: Wie werden Menschen zu Terroristen? Mit Peter R. Neumann


Georg Rieger RefApp
Patriarchale Arroganz

Die amerikanische Forscherin Eunice Newton Foote war die erste, die den Zusammenhang von CO2-Konzentration und Erderwärmung nachwies – und zwar im Jahr 1856! Sie untersuchte das Verhalten unterschiedlicher Gase unter Sonneneinstrahlung. Das Gas, das sich am stärksten erwärmte, war der Kohlenwasserstoff. Damit war das beschrieben, was wir heute „Treibhauseffekt“ nennen.

Ihre Erkenntnis darf sie bei der Jahrestagung der American Association of the Advancement of Science nicht selbst vorstellen, sondern muss das einem Mann überlassen. Und nach der Tagung gehen Footes Erkenntnisse verloren. Erst 2010 werden sie wiederentdeckt und gewürdigt.

Quelle: Der Rest ist Geschichte (Podcast des Deutschlandfunks), Folge: Klima und Krise – Seit wann wir von der Erderwärmung wissen (ab 12:36)


Georg Rieger, Nürnberg
Allen eine Stimme

Eigentlich war eine Talkshow bei Julian Reichelts „Nius“ geplant. Jetzt verhandelt Jan Fleischhauer mit dem ZDF. Der öffentlich-rechtliche Sender wird „von der Politik“ gedrängt, auch das rechte Meinungsspektrum zu Wort kommen zu lassen. Der ehemalige Spiegel-Kolumnist hält sich heute für „die Stimme der Vernunft“ und gibt an, der Mehrheit eine Stimme zu geben. 

Beharrlich hält sich die Auffassung, die Presse und die Medien müssten alle Meinungen abbilden. Fleischhauer arbeitet mit Unterstellungen, Verunglimpfungen und trägt ganz offen seinen Hass auf alles Linke und Grüne zur Schau. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat er nicht selten geschmäht. Es hat etwas von Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“, was da vor unseren Augen passiert.


Georg Rieger
Unverhältnismäßig

Mit Maschinengewehr im Anschlag werden Mitglieder der Letzten Generation in ihren Wohnungen überfallen, die Wohnungen verwüstet. Anlass ist die Blockade des Frankfurter Flughafens. Vorwand die Suche nach Beweisen und die Abnahme von DNA-Proben. Oder ist der Grund doch Einschüchterung?

Denn die Beweise gibt es bereits und die Vergehen werden von den Betreffenden gar nicht bestritten. Und am Flughafen waten bereits alle verhaftet. Weder muss also ihre Beteiligung durch DNA-Spuren bewiesen werden noch gab es nicht vorher bereits ausreichend Gelegenheit zu dieser Beweissicherung.

Ziviler Ungehorsam ist eine Form des Widerstands, die bewusst den Rechtsbruch in Kauf nimmt. Die letzte Generation hat noch nie Gewalt gegen Personen angewandt, sondern trainiert eben genau die Gewaltlosigkeit selbst in angespannten Situationen. Die Rechtsbrüche werden nicht bestritten, allerdings ins Verhältnis gesetzt – insbesondere in das gerichtlich festgestellte Versäumnis der Bundesregierung, Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen. Und genau das scheint die Staatsmacht so zu provozieren, dass sie völlig unverhältnismäßig reagiert.


Georg Rieger, Nürnberg
Blasphemie

Die Abendmahlsszene bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris wurde ganz offensichtlich in vielerlei Hinsicht falsch gedeutet. Aber selbst wenn der Bezug zum letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern stimmen würde: Ist es nicht toll, dass dieser heilige Moment bis heute eine Vorlage zur künstlerischen Verarbeitung ist? Schon das Gemälde von da Vinci ist eine Verfremdung – in gewisser Weise eine Karikatur des echten Abendmahls.

Welche Personen sich zusammengefunden haben, die Szene „blasphemisch“ zu nennen, ist erschreckend und noch mehr die Argumente, die belegen sollen, wie verletzend und zerstörerisch die Darstellung gewesen sei. Das Beste, was es zum Thema „Verletzung religiöser Gefühle“ zu sagen gibt, stammt vom Theologieprofessor Harald Schroeter-Wittke:

„Blasphemien sind geboten, um unsere Fixierungen (unsere Erfahrungen) auf und von Gott zu lösen. Die Kirche begrüßt daher freudig alle Formen von Blasphemie, insbesondere diejenigen, die ihr selber weh tun! Denn die Erfahrungen von Blasphemie sind ein Grund dafür, dass wir etwas lernen, dass wir überhaupt auf die Idee kommen, es könnte anders sein, als wir uns das denken!“

Quelle: Phillip Greifenstein in zeitzeichen, https://zeitzeichen.net/ressort/?ressort=612
Zitat aus „Kann man Gott beleidigen?“ (Herder 2013), hg. von Thomas Laubach


Georg Rieger, Nürnberg
Kinderlos

Die Schauspielerin Jennifer Aniston (55) ist sonst eher unpolitisch in ihren Äußerungen. Allerdings ging sie in den letzten Jahren offen mit ihrem unerfüllten Kinderwunsch um. Jetzt ist ihr der Kragen geplatzt und sie hat sich mit der voraussichtlichen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris solidarisiert. Diese hatte sich nämlich (schon 2022, aber jetzt natürlich wieder hervorgeholt) von dem Trump-Vizepräsidentschaftskandidaten J.D. Vance anhören müssen: „Wir werden von einem Haufen kinderloser Katzen-Ladys regiert, die unglücklich über ihr eigenes Leben und die Entscheidungen sind, die sie getroffen haben, und deshalb wollen sie auch den Rest des Landes unglücklich machen.“

Sie können nicht glauben, „dass das von einem potenziellen Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten kommt", schreibt Aniston in ihrem Instagram-Account. Aber das Verächtlichmachen von Frauen gehört in den Kreisen der MAGA-Bewegung (Make America Great Again) zum guten Ton. Je gemeiner desto besser!


Georg Rieger Nürnberg
Die Stimme Gottes

Gott mag seine Hand mit ihm Spiel gehabt haben, als Donald Trump bei dem Attentatsversuch nur am Ohr getroffen wurde. Auch wenn das als Feststellung schwer haltbar ist, geht es als Ausdruck der Erleichterung durch. Etwas gewagt ist allerdings die Schlussfolgerung eines Delegierten des republikanischen Parteitags: „In diesem Moment, hat Gott seine Stimme für Trump abgegeben.“

Die religiöse Überhöhung des Geschehens geht aber noch weiter: „Wir sind Zeuge geworden, wie Präsident Trump eine Kugel für uns abbekam“, sagt ein anderer Delegierter und inszeniert Trump als den jesusgleichen stellvertretenden Leidenden. 

Auch sein Kontrahent Joe Biden bemühte Gott mit einer seltsamen Aufgabe: Nur er könne ihn von einer weiteren Kandidatur abhalten, äußerte er trotzig nach dem missglückten TV-Rededuell. Es scheint so, als habe sich Gott dafür nun einige menschliche Helfer engagiert.

(Quelle: Apokalypse & Filterkaffee, Reborn in USA, 18.7.24)


Georg Rieger, Nürnberg
Gotteslästerung

„Aus der Turmspitze der gotischen Kathedrale der Stadt Rouen in Nordfrankreich steigen dunkle Rauchwolken empor. trib.al/mv442T0“ postet die Neue Zürcher Zeitung am 11. Juli. Und ihre Redakteurin Fatina Keilani kommentiert umgehend: „Lieber Gott lass es keine Moslems gewesen sein“ (@KeilaniFatina). 

Nicht einmal für das fehlende Komma war Zeit – die Gelegenheit einfach zu günstig, um einen Verdacht in die Welt zu setzen. Und besonders perfide: als frommes Stoßgebet getarnt.

Der Turm war – auf allen Fotos leicht zu erkennen – eingerüstet. Es waren also Bauarbeiten im Gang. Auch wenn die offizielle Klärung der Ursache noch dauern wird, ist allen klar, wie der Brand entstanden ist. 

Das Feuer war am Abend gelöscht. Der giftige Verdacht steht aber weiter im Netz.


Georg Rieger, Nürnberg
Meisterpredigt

Der Saxophonist André Schnura hatte im Frühsommer seinen Job als Musiklehrer verloren und hatte die Idee, die freie Zeit zu nutzen und die EM-Fanmeilen mehrerer Nationen musikalisch zu unterstützen. Inzwischen ist er der Star außerhalb der Stadien. Dazwischen postet er auch bewegende Texte:

Hallo, ich bin der EM-Typ mit dem Saxophon und möchte meine 5 Minuten Fame nutzen, um euch an etwas Wichtiges zu erinnern.

Noch sind alle Augen auf mich gerichtet, doch das wird nicht immer so bleiben.

Wir alle haben Sorgen, Ängste und Unsicherheiten. Manchmal unterdrücken wir unsere Gefühle aus Scham, fühlen uns minderwertig und glauben, wir müssten etwas leisten, um liebenswert zu sein. Weil wir meinen, nicht gut genug zu sein, versuchen wir, jemand zu sein, der wir nicht sind. Doch in uns allen steckt die Sehnsucht nach Frieden, Geborgenheit und Liebe.

Wir sind einfach alle gleich.

Ich möchte euch daran erinnern, einander zu lieben und zu vergeben. Niemand ist ohne Grund böse. Jeder hat seinen eigenen Rucksack zu tragen. Lasst euer Ego sterben und zeigt Verständnis für eure Mitmenschen.

Meine Uhr sagt, es ist Zeit, dass sich was dreht.

Quelle: andreschnura, Instagram 26.6.24


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