Provokation

Herausforderung

Absurdes und Nachdenkenswertes aus den sozialen Medien kommentiert von Georg Rieger

Für die Tonne

»Propaganda ist Schwarz-Weiß-Malerei als die besondere Kunst und das Meisterwerk der Ideologien: die systematische Herausstellung je ihrer eigenen Vortrefflichkeit und Brauchbarkeit auf dem Hintergrund des Nachweises der völligen Nichtswürdigkeit und Verderblichkeit ihrer jeweiligen Konkurrenten und Gegenspieler. Propagandistische Worte und propagandistische Taten lassen sich dabei in der fruchtbarsten Weise kombinieren. Propaganda kann direkt oder indirekt, sie kann vom Dorfschmied grob und vom Feinmechaniker raffiniert, sie kann ganz bieder und wohlmeinend, sie kann auch giftig und bitter, sie kann natürlich auch geschickt oder ungeschickt getrieben werden. Wurde sie irgendwie zu allen Zeiten getrieben, so hat sie sich doch seit den bescheidenen kleinen Zeitungen des 17. Jahrhunderts durch die Erfindung und den Gebrauch der bekannten neuen, immer wirksameren Instrumente in einem so noch nie dagewesenen Tempo und Maß entwickelt. Man merke: die Wahrheit braucht und treibt keine Propaganda. Sie spricht, indem sie die Wahrheit ist, unmittelbar für sich selbst und gegen die Lüge. Propaganda ist das sichere Anzeichen, daß es sich, wo sie getrieben wird, nicht um die Wahrheit, sondern um eine Ideologie handelt, die sie nötig hat, deren Wesen sie entspricht und die keine Scham kennt, von ihr Gebrauch zu machen« (Karl Barth, in: Das christliche Leben 1959-1961 (GA II.7), 388)  

Wüste Leute

»Ich muss euch wieder einmal etwas von der Sozialdemokratie sagen. In den Zeitungen, die ihr lest und denen ihr Glauben schenkt, sagt man euch, die Sozialdemokraten sind wüste Leute, sie stören den Frieden. Richtig, wenn man's oberflächlich ansieht, ist es so. Fragt sich nur, welchen Frieden sie stören. In Wirklichkeit ist es nur der Friede einer gegenwärtig geltenden Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, die aber durchaus nicht so von Gott eingesetzt, sondern vielmehr erst ziemlich spät als ein künstliches Produkt menschlichen Eigennutzes entstanden ist, eine Ordnung, die Millionen nötigt, mit ihren Frauen und Kindern Knechte des Geldes zu sein, eine Ordnung, die aufgebaut ist auf dem Grundsatz, dass der der Oberste sein müsse in der Welt, der die stärksten Ellenbogen habe. Den Frieden dieser Ordnung stören die Sozialisten, das ist wahr« (Karl Barth, Predigt zu Mt 10,34, in: Predigten 1913 (GA I.8), 582f) 

Zutiefst beunruhigt

 »Wir werden in unserm Leben wohl nur selten, vielleicht gar nie einem Menschen von dieser echten Prophetenart begegnen, einem, der uns bis ins Innerste beunruhigt, damit wir aus ruhenden zu suchenden Seelen werden. Diese Prophetenart ist dünn gesät. Die Menschen, denen wir begegnen, gleichen entweder den falschen Propheten, d.h. sie lassen uns machen oder helfen uns noch gar in unsrer gewohnten Weise, statt dass sie uns stören und uns zum Suchen und Fragen anleiten. Oder aber sie regen wohl Gedanken und Zweifel in uns an über unser bisheriges Wesen, aber es geht nicht in die Tiefe, sie kommen nicht bis zur Wurzel. Sie erzeugen nur eine oberflächliche Bewegung in uns, nicht die große heilsame Unruhe, die zum ernsthaften Suchen nach Gott wird auf den Trümmern dessen, was wir vorher für das Höchste hielten.« (Karl Barth, Predigt zu Amos 5,4, in: Predigten 1913 (GA I.8), 251)

Gut gedüngt

»Der Mammon ist's, der ins Feuerlein der nationalen Leidenschaften geblasen hat hüben und drüben, der den Völkern eingeflüstert hat, ihre Interessen seien gefährdet, wenn der Andere, der da drüben, nicht einmal gründlich gedemütigt werde, hat den Millionen das Gewehr in die Faust gepresst, ob sie gleich nicht wollten, und freut sich nun des angerichteten Schadens, denn seine Zinsen laufen weiter, und wenn die Erde gut gedüngt ist mit Menschenblut, gedeihen nach alter Erfahrung seine Saaten umso besser. Das heißt: in der Hölle und in der Qual. So brennt es uns auf den Fingern, dass wir uns dem Schein ergeben haben. So muss es zugehen, solange eine gottfremde, gottlose Macht über uns herrscht!« (Karl Barth, Predigt zu Lukas 16,19-26, in: Predigten 1915 (GA I.27), 267)  

Ton-Angeber

»Oder erinnert euch an gewisse Wahlen dieses Jahres. Was war das zuerst für ein Treiben mit Zeitungsinseraten, Herumlaufen, Intrigieren vorne- und hintenherum, was für Kniffe und Pfiffe sind da angewendet worden, und wie hat es sich nachher gezeigt, dass die große Menge gar nicht daran denkt, nach Verstand und Gewissen zu wählen, dass sie stimmt, wie ein paar Tonangeber es von ihr verlangen (...)! Das alles sind Dinge, die in eine Demokratie, d.h. in einen Staat, in dem Jeder mit persönlicher Verantwortlichkeit am Staatsleben beteiligt ist, schlechterdings nicht passen.« (Karl Bart, Predigt zu Psalm 62,12, in: Predigten 1913 (GA I.8), 484f.) 

Erhöhtes Sicherheitsrisiko

»Aufbegehren und protestieren müsste und möchte man gegen die Leute, die in dieser unserer Zeit unsere schöne freie Luft mit ihren blöden Experimenten radioaktiv vergiften und verpesten und damit vielleicht ganzen kommenden Generationen Unheil bereiten, ein Unheil, das wahrscheinlich schon jetzt auf uns lastet, auch wenn wir dessen noch nicht gewahr sind.« (Karl Barth, Predigt zu Ps 68,20 (1959), in: Predigten 1954-1967 (GA I.12), 146) 

Doppel-o

»Gott sieht sehr vieles, was wir nicht sehen. Gott weiß vieles, was wir nicht wissen. Und Gott denkt viele Dinge, an die wir noch nie gedacht haben. Daher kommt es denn, dass wir immer eine gewisse Erschütterung verspüren, wenn wir mit Gott in Berührung kommen.« (Karl Barth, Predigt zu Psalm 51,8, in: Predigten 1917 (GA I.32), 370) 

Beharrungsvermögen

»Und nun ist gerade das Rechthaben ungefähr das Verhängnisvollste, was einem Menschen geschehen kann. Rechthaben ist immer etwas Hartes, Sachliches, Steifes. Da reißt der Mensch etwas an sich, was ihm nicht gehört. Da feiert er einen Triumph, der immer zu früh ist. Da scheint er groß und wird im selben Augenblick klein.« (Karl Barth, Predigt zu Lukas 6,27-36, in: Predigten 1921 (GA I.44), 179)

Dreckslochstaaten

»Denn nicht das Wohnen in demselben Lande, auch nicht dieselbe Rasse und Sprache, nicht die Geschäftsverbindungen machen ein Volk aus, sondern der Glaube, ein Glied zu sein in der großen Völkergemeinde Gottes, aufzuerbauen die eine große Ordnung über die ganze Erde hin, ein jedes an seinem Platze, alle für einander und nicht gegeneinander. Nicht durch die gepanzerte Faust, sondern durch das gerechte Herz beweist ein Volk sein Recht in der Welt.« (Karl Barth, Unterweisungsjahr 1916/17, in: Konfirmandenunterricht 1909-1921 (GA I.18), 173) 

Ausgangssperre

»Der Rhein wird es nicht abwaschen, dass wir an die 10.000 Flüchtlinge zurückgewiesen haben, dass die Behandlung der Aufgenommenen unwürdig war, dass man Gesinnungsopfer als lästig empfand und deutsche Kommunisten ins Zuchthaus steckte.« (Karl Barth, Unser Malaise muss fruchtbar werden, in: Weltwoche, 21.12.1945)

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