Provokation
Herausforderung
»Denn nicht das Wohnen in demselben Lande, auch nicht dieselbe Rasse und Sprache, nicht die Geschäftsverbindungen machen ein Volk aus, sondern der Glaube, ein Glied zu sein in der großen Völkergemeinde Gottes, aufzuerbauen die eine große Ordnung über die ganze Erde hin, ein jedes an seinem Platze, alle für einander und nicht gegeneinander. Nicht durch die gepanzerte Faust, sondern durch das gerechte Herz beweist ein Volk sein Recht in der Welt.« (Karl Barth, Unterweisungsjahr 1916/17, in: Konfirmandenunterricht 1909-1921 (GA I.18), 173)
»Der Rhein wird es nicht abwaschen, dass wir an die 10.000 Flüchtlinge zurückgewiesen haben, dass die Behandlung der Aufgenommenen unwürdig war, dass man Gesinnungsopfer als lästig empfand und deutsche Kommunisten ins Zuchthaus steckte.« (Karl Barth, Unser Malaise muss fruchtbar werden, in: Weltwoche, 21.12.1945)
»Der Umschlag von der Macht des Rechtes in das Recht der Macht lauert drohend vor den Toren jeder Politie.« (Karl Barth, in: Das christliche Leben 1959-1961 (GA II.7), 378)
»Er als der König aller Könige und Herr aller Herren. Dieser Herr ist nahe! Das ist die Adventsbotschaft. Niemand versteht, daß der Herr nahe ist, der nicht mit tiefstem Entsetzen hineingesehen hat in die Abgründe der menschlichen Torheit und Bosheit, der nicht schon darüber erschrocken wäre, wie gut es doch die Torheit versteht, sich als Weisheit – und die Bosheit, sich als Gerechtigkeit zu gebärden.« (Karl Barth, Brief nach Holland (1942), in: Eine Schweizer Stimme: 1938-1945, 304)
»Darin besteht und äußert sich des Menschen Dummheit, daß er in der Meinung, ohne Erkenntnis Gottes, ohne Gehör und Gehorsam seinem Wort gegenüber und also in solcher (..) Souveränität, wesentlich zu sein und das Wesentliche zu treffen, gerade nie wesentlich ist, nie das Wesentliche trifft: Immer kommt er zu früh oder zu spät. Immer schläft er, wo er wachen sollte und immer regt er sich auf, wo er ruhig schlafen dürfte. Immer schweigt er, wo er reden sollte und immer führt er das Wort, wo Schweigen das allein gute Teil wäre. Immer lacht er, wo er weinen sollte, und immer weint er, wo er getrost lachen dürfte. Er will immer eine Ausnahme machen, wo die Regel gelten müßte und immer unterwirft er sich einem Gesetz, wo er die Freiheit zu wählen hätte. Er werkelt immer, wo nur Beten, und betet immer, wo nur Arbeiten helfen würde. (...) Die Dummheit ist genial darin, alles zur Unzeit zu meinen, alles den unrichtigen Leuten zu sagen, alles in verkehrter Richtung zu tun, keine Möglichkeit misszuverstehen und missverständlich zu sein, vorübergehen zu lassen, das Einfache, das Notwendige, das eben jetzt Geforderte regelmäßig zu unterlassen, um dafür mit sicherem Instinkt das Komplizierte, das Überflüssige, das eben jetzt nur Störende und Aufhaltende zu wählen, zu wollen und zu tun.« (Karl Barth, § 65 Des Menschen Trägheit und Elend, in: KD IV,2, 465)
»The stupidity of man consists and expresses itself in the fact that when he is of the opinion that he achieves his true nature and essence apart from the knowledge of God, without hearing and obeying His Word (...). He is always either too soon or too late. He is asleep when he should be awake, and awake when he should be asleep. He is silent when he should speak, and he speaks when it is better to be silent. He laughs when he should weep, and he weeps when he should be comforted and laugh. He always makes an exception where the rule should be kept, and subjects himself to a law when he should choose in freedom. He always toils when he should pray, and prays when only work is of any avail. (...) The genius of stupidity is to think everything at the wrong time, to say everything to the wrong people, to do everything in the wrong direction, to lose no opportunity of misunderstanding and being misunderstood, always to omit the one simple and necessary thing which is demanded, and to have a sure instinct for choosing and willing and doing the complicated and superfluous thing which can only disrupt and obstruct.« (Karl Barth, § 65 The Sloth and Misery of Man, in: CD Volume IV,2 (§§ 64-68), 413f)
»Wenn der König oder Herr durch allgemeine Abstimmung gewählt wird, so soll er, wenn er Böses tut, durch allgemeine Abstimmung wieder abgesetzt werden, andernfalls aber werden seine Wähler mit ihm zusammen bestraft. Wenn ihn eine kleine Zahl Fürsten gewählt hat, soll man diesen mitteilen, dass man sein anstößiges Leben nicht mehr hinnehmen könne, und sie auffordern, den König abzusetzen.« (Zwingli, Auslegung und Begründung der Thesen und Artikel (1523), in: Schriften II, 393).
"Das Verhältnis eines heutigen Fabrikanten zu seinen Arbeitern ist eben wirklich nicht ein Abbild des Verhältnisses Jesu zu seinen Jüngern, sondern etwas total Anderes. Einem Menschen kann man sich willig und freudig unterordnen, aber wie kann man zufrieden sein, wenn man einmal gemerkt hat, dass es ja im Grunde doch nur um das goldene Kalb geht? Und nun verschwindet aus diesem Verhältnis Zug um Zug alles Freundliche, Gute, das es natürlicherweise an sich haben könnte. Wer kann denn heute in abhängiger Stellung seine Arbeit aus eigenem Herzen tun, wie Paulus sagt, wenn er doch sieht, dass er als Mensch mit einem Herzen da gar nicht in Betracht kommt, sondern nur als ein Stück Maschine, das man heute ein- und morgen ausschaltet? Wie kann man in dieser Lage mit gutem Willen arbeiten, wo man doch nur den Götzen Mammon sich gegenüber hat, der sicher keinen guten Willen hat auch gegen seine eifrigsten Verehrer? Wie kann man im modernen Wirtschaftsleben uneigennützig sein, wo alles auf den Eigennutzen eingerichtet ist und nach Eigennutzen verlangt, weil der Gott dieses Lebens der Eigennutzen selbst ist?" (Karl Barth zu Eph 6,5-9, in: Predigten 1919 (GA I.39), 303)
"Welchen Gewinn hat der Mensch von seiner ganzen Mühe und Arbeit unter der Sonne? Ein Geschlecht geht, und ein Geschlecht kommt, und die Erde bleibt ewig bestehen. Und die Sonne geht auf, und die Sonne geht unter und strebt nach dem Ort, wo sie aufgeht. Es weht nach Süden und dreht nach Norden, dreht, dreht, weht, der Wind. Und weil er sich dreht, kommt er wieder, der Wind. Alle Flüsse fliessen zum Meer, und das Meer wird nicht voll. Zum Ort, dahin die Flüsse fliessen, fliessen sie und fliessen. Alles Reden müht sich ab, keiner kommt damit zum Ziel. Das Auge sieht sich niemals satt, und das Ohr wird vom Hören nicht voll. Was einmal geschah, wird wieder geschehen, und was einmal getan wurde, wieder getan, und nichts ist wirklich neu unter der Sonne. Wohl sagt man: Sieh dies an! Es ist neu! - Es war längst schon einmal da, in den Zeiten, die vor uns waren. An die Früheren erinnert man sich nicht, und an die Späteren, die kommen werden, auch an sie wird man sich nicht erinnern bei denen, die zuletzt sein werden." (Prediger 1,3-11)
"Immer sind Christen noch weiter gegangen: sie haben gekämpft für ein treues Zusammenhalten, für gegenseitige Hilfswerke, für Bruderschaften und Gemeinschaften. Der Geist der Welt ist ein Geist der Zersplitterung und der Vereinsamung, der Geist Gottes ist ein Geist der Einigkeit und der Auferbauung und treibt, wo er in einem Herzen ganz Meister wird, sich den Rappen am Munde abzusparen, nicht nur, um den Armen zu geben und für die Kranken-, Unfall-, Alters-, Arbeitslosen-, Sterbe-, Witwen- und Waisenkasse zu bezahlen, sondern um sich gegenseitig Häuser zu bauen und den habgierigen Spekulanten den Boden und den Handel zu entreißen. Das ist der Kampf für neue Zustände." (Karl Barth, Unterweisungsjahr 1916/17, in: Konfirmandenunterricht 1909-1921 (GA I.18), 181)
»[Die Menschen] stehen unter einer ungeheueren Knechtschaft, sie alle, die Reichen und die Armen, die Herren, die Bauern und die Arbeiter. Das Geld, das ihnen dienen sollte, ist in Wirklichkeit ihr Meister geworden, und es ist ein grausamer Meister. Wie ein greulicher Drache lauert überall und überall der Drache des Kapitals. Er will nicht den Frieden, nicht das Glück, nicht die Freiheit der Menschen, er will nicht einmal, dass sie leben und satt werden, das Alles kümmert ihn gar nicht, er will nur seine Zinsen, seinen Profit, der niemandem zugute kommt oder doch nur ganz Wenigen, während der übergroßen Mehrzahl der Menschen nur das Nötigste übrigbleibt und infolgedessen eben die Sorge, die Unzufriedenheit, die ewige Unruhe. Überall, überall in der Stadt und auf dem Land, in der Villa und in der Arbeiterwohnung, in der Seele derer, die scheinbar Alles haben, was das Leben schön macht, und in der Seele dessen, der aus der Hand in den Mund leben muss, stoßen wir auf die verderblichen Folgen dieser ungeheueren Knechtschaft, unter der unser Zeitalter seufzt.« (Karl Barth, Predigt zu Mt. 6,33, in: Predigten 1914 (GA I.5), 249)