Provokation
Herausforderung
»Der Mißbrauch der Regierung und ihm folgend der Tod des Staates tritt immer da ein, wo der Sinn des Staates dadurch verlorengeht, daß die ihn begründende Konvention durch Aufrichtung irgend einer Tyrannei zerrissen wird (...). Auf dieselbe Linie mit der Tyrannei gehört aber auch eine solche Auffassung der legislativen Gewalt, bei der die Abgesandten des Volkes sich als Vertreter (...) statt ebenso wie die Exekutive als dessen Beauftragte (...) fühlen und betragen. In dem Augenblick, wo ein Volk sich Vertreter gibt, ist es nicht mehr frei, ja, ist es nicht mehr Volk. Denn in dem Augenblick, wo man im Gedanken daran, im Parlament seinen Vertreter zu haben, sagen kann: Das politische Leben geht mich nichts an! ist der Staat als solcher verloren.« (Karl Barth, Die protestantische Theologie im 19. Jahrhundert, Zürich 4. Aufl. 1981, 168)
»Geld, das (...) brutale Tatsachen schaffen kann - jetzt eine Konjunktur zum Steigen, jetzt dieselbe zum Fallen bringt, jetzt eine Krise aufhält, jetzt eine solche auslöst, jetzt dem Frieden dient, aber mitten im Frieden schon kalten Krieg führt, den blutigen vorbereitet und schließlich herbeiführt (...). Es kann (.) das Alles und tut es auch (...). Und nicht abzusehen, was daraus würde, wenn Mammon sich etwa auch noch mit dem anderen Dämon, Leviathan, dem politischen Absolutismus zusammenfinden, schlagen und vertragen sollte!« (Karl Barth, Das christliche Leben 1959-1961 (GA II.7), 382)
»Wer vierzig oder fünfzig Jahre lang in kurzen Gedanken gelebt hat, sich darin verhärtet und verstockt hat, in der innern Faulheit, in der Freude an Nichtigkeiten, im Geschwätz und Geträtsch, in der feinen Eigenliebe und in der groben Selbstsucht, der hat es schwer, den Weg wieder zurückzufinden zu den großen Gedanken Gottes. Und darum sollen die Jungen, die noch anders können, sich wehren gegen diese Krankheit, bevor es zu spät ist. Sollen sich nicht anstecken lassen von dem allgemeinen engen, kleinlichen Wesen. Sollen sich losmachen von dem, was vielleicht schon auf sie übergegangen ist.« (Karl Barth, Predigt zu Jes 55,8-9, in: Predigten 1913 (GA I.8), 456)
»Wenn wir in die Menschenwelt hineinsehen, o, da[nn sehen wir] immer nur Adam und Eva, die vom Paradies ausgeschlossen werden (...). Da sehen wir das Schicksal regieren und den Teufel, da sehen wir in den Abgrund hinein. Wenn wir in den Spiegel und in die Zeitung gucken und wollen dann überhaupt noch an Gott denken, dann muß uns Gott ganz schrecklich vorkommen. Finster und böse steht er da im Hintergrund, gleichsam an die Wand gedrückt von all der Gottlosigkeit. Eine dunkle Erinnerung sagt uns, daß diese unsere ganze Welt etwas ganz Anderes ist als das, was Gott will, daß Gott eigentlich nichts Anderes im Sinn haben kann als die Zerschmetterung dieses ganzen Wesens. Und zu der Last, die wir ohnehin haben mit unserem bösen Gewissen, mit unserem Erdenleid, (...) gesellt sich als doppelte Last die Gewißheit, daß Gott, wenn er ist, gegen uns sein muß.« (Karl Barth, Predigt zu Jes 44,21-23, in: Predigten 1916 (GA I.29), 381f)
»Könnten nicht auch wir irrewerden bei diesem jammervollen Schauspiel, irre an Gott, (...) irre daran, ob wirklich die Liebe das Größte und Stärkste ist in der Welt? Sind nicht die bösen ›Engel, Fürstentümer und Gewalten‹ viel, viel größer und stärker? Ist nicht alles Göttliche und Gute bloß ein heuchlerischer Vorwand, den diese bösen Kräfte brauchen, um die Menschen um so sicherer und um so gewaltiger in den Unfrieden, in den Tod, in die Hölle hineinzutreiben? Eine Waffe, die ihnen der Teufel in die Hand drückt und die sie nun eben gebrauchen, wie sie ihre Geschütze und Gewehre und ihre spitzen Worte gebrauchen?« (Karl Barth, Predigt zu Röm 8,38-39, in: Predigten 1914 (GA I.5), 530).
»Denn das heißt verstoßen sein in ein Labyrinth ohne Ausgang, verurteilt sein zu einer Sisyphusarbeit ohne Hoffnung, zu einem jagenden Gejagtsein im Kreis herum – wohl vergleichbar jenem Wettspiel, in welchem man in England Hunde hinter einem mechanisch in Bewegung gesetzten Hasen, den sie nie erwischen werden, herrennen läßt. Nur daß es hier um keinen Hund und um kein Wettspiel, sondern um den Menschen, das Geschöpf, dem Gott sich verbündet hat, und um sein einziges Leben geht, und daß der Mensch selber hier zugleich der Verfolgte und der Verfolger, der Genarrte und der sich selbst zum Narren Haltende ist.« (Karl Barth, KD IV/1 (1953), 517)
»Du folgst deiner Laune, du überlässest dich deinem Trieb (…), ein wüster Gedanke erfüllt und beherrscht dich eine Stunde, einen ganzen Tag, ein giftiges Wort fliegt aus deinem Munde, ein hässiger Brief wird geschrieben (...) – du kannst es! Du rechtfertigst dich: ich konnte nicht anders, andere tun es auch, es hat jedes seine Fehler, wir sind allzumal Sünder – du kannst auch so schwatzen und dich zudecken. Aber das sollst du wissen, daß du zwischen Gott und dem Teufel nicht mehr neutral bist, sondern mit dem Teufel zusammen bist du gegen Gott in Kriegszustand getreten, mit dem Teufel hast du Nein gesagt. Mit deinen Gedanken, deinem Wort, deiner verborgenen Tat hast du der Macht geholfen, die das Leben vergiftet, die Welt verwüstet, der Macht, die den Krieg erfunden hat und alles Üble, worüber die Menschen und die Engel im Himmel weinen müssen.« (Karl Barth, Predigt zu 1. Joh 3,3-9, in: Predigten 1916 (GA I.29), 281f)
»Mir wurde gesagt, daß der Preis für eine Reise zum Mond und zurück, einschließlich eines acht- bis zehntägigen Aufenthaltes dort, ungefähr 13 Milliarden Dollar kosten würde. Die Kosten für ein Gefängnis sind rund 10,000 Dollar pro Insasse. Für die Kosten eines solchen Mondfluges könnte ein Gefängnis gebaut werden, um zweimal die gesamte Bevölkerung Amerikas hinter Gitter zu bringen.« (Karl Barth, Pressekonferenz in New York (1.5.1962), in: Gespräche 1959-1962 (GA IV.25), 287)
»Kurzum, es müssen merkwürdige himmlische Konstellationen sein, unter denen sich Mitteleuropa wieder einmal befindet. Ob wohl gerade Vollmond ist und also besondere Wirksamkeit der Sonnenprotuberanzen? Jedenfalls keine lustige noch liebliche Welt. Aber wir wollen uns nicht vergelstern [=einschüchtern] lassen.« (Karl Barth, Brief an Charlotte von Kirschbaum am 26.9.1933, in: GA V.45, 341f)
»Das Himmelreich läßt sich nicht aufhalten, sein Weg kann wohl für eine Weile durchkreuzt, aber nicht auf die Länge gesperrt werden. Seine lebendigen Wasser können durch das Gerede und Getue der Unverständigen und Boshaften wohl eine Weile gestaut werden, nachher brechen sie nur umso mächtiger durch. Laß sie nur reden und urteilen über dich, allerhand planen und vornehmen gegen dich! Das (...) kann dich in ernste, schwierige Lagen bringen. Das Himmelreich kann nur stärker werden und wachsen, je mehr man dich plagt.« (Karl Barth, Predigt zu Mt 10,17-20, in: Predigten 1916 (GA I.29), 131).