Nun sollen ja doch Gottesdienste an Ostern stattfinden. Die auch den Kirchen verordnete Osterruhe ist wieder vom Tisch. Doch viele Gemeinden bereiten sich trotzdem auf eine Digitalisierung der Botschaft von Kreuz und Auferstehung vor. Denn uneingeschränkt empfehlenswert ist der Gottesdienstbesuch an Ostern nicht. Die zu normalen Zeiten zu erwartende Zahl von Besucher*innen wird nicht kommen. Und die vernünftigerweise zuhause bleiben, sollen nicht einfach vergessen werden.
Die Internetbeauftragten der Landeskirchen, die bisher ein Schattendasein geführt haben, sind plötzlich die gefragtesten Experten der Landeskirchenämter. Welche Kamera sollen wir anschaffen oder reicht doch das Smartphone? Braucht es ein extra Mikrofon oder kann die Lautsprecheranlage der Kirche „angezapft“ werden? Wird uns Live-Streaming gelingen oder zeichnen wir doch besser vor ab auf? Video- und Tontechnik, der Internetanschluss in der Kirche und das Knowhow der Konfirmand*innen stehen plötzlich im Zentrum der Gemeinde.
Nicht bei allen. Manche Pfarrer*innen verweisen auch auf professionelle Angebote und wollen sich nicht auf YouTube sehen. Sendefähige Verkündigung kam in der Ausbildung auch nicht vor. Es ist also nicht selbstverständlich, dass jede Gemeinde nun einen YouTube-Kanal ihr eigen nennt und mit Influencern um Aufmerksamkeit buhlt. Es ist aber auch nicht zu unterschätzen, wie Gemeindemitglieder, denen Abstand und Maske eher die Laune auf Präsenz vermiest, gerne Bilder und Gesichter aus ihrer Gemeinde sehen.
Nach einem Jahr können sich auch die Kirchen und Gemeinden nicht mehr überrascht geben und die verwackelten und unscharfen Bilder – schlimmer noch den unverständlichen Ton – mit der Notsituation entschuldigen. Es braucht Konzepte, Standards und Erfahrung.
Die Kirchenleitungen überlassen es – von Ausnahmen abgesehen – den schon genannten hauseigenen Experten und engagierten Pfarrer*innen und Gemeindemitgliedern, sich Gedanken zu machen, Erfahrungen auszutauschen und eben auch zu experimentieren. Im besten Fall gibt es Geld für Ausrüstung, doch praktische Anleitungen, homiletische Inspiration und ekklesiologische Ermutigung sind Mangelware.
Wer wenig Unterstützung bekommt, kann sich dafür aber gerne mit Kritik auseinandersetzen. Gefilmte Gottesdienste seien ja nun nicht vergleichbar mit dem Erleben der Nähe Gottes und der Gemeinschaft der Gläubigen. Dank solcher wertvollen Hinweise sollen sich Gläubige schämen, die sich den Gottesdienst zuhause im Bett und mit dem Tablet auf dem Schoß eigentlich sehr wohlgefühlt haben. Und wenn die Zahl der Klicks die Besucher*innenzahl in der Kirche weit übersteigt, dann ist wohl etwas schiefgelaufen.
In Wirklichkeit läuft da gerade eine regelrechte kleine Erweckungsbewegung. Zu Gottesdiensten, die live gestreamt und danach in der gemeindeeigenen Mediathek abgelegt werden, kann in den sozialen Medien und per Newsletter eingeladen werden. Und diese Gelegenheiten werden genutzt. Rückmeldungen auf Predigten gibt es mehr denn je. Und bei aller Begeisterung für Technik: Die inhaltliche Qualität – und zugegebenermaßen der Ton – sind viel wichtiger als ein professioneller Videoschnitt.
Natürlich freuen wir uns trotzdem auf bald wieder volle Kirchen, auf Gesichter ohne Masken und eng zusammenstehende Gruppen nach dem Gottesdienst. Aber den Gottesdienst weiter auch als Audio- und Video bereitstellen? Ja natürlich! Die Verkündigung ist nicht auf die jahrhundertelang bewährte Form des Sitzens in der Kirche beschränkt. Die Pandemie zeigt uns, dass wir neue Möglichkeiten nun schon lange Zeit ungenutzt gelassen haben.
Georg Rieger