Was Menschen verbindet: das Wetter

Auch die Kolumnistin verfällt dem Wetter-Small-Talk.

Aus dem Urlaub sendet einer meiner Facebook-Freunde ein Lebenszeichen: "32°C am Strand". Das gefällt mir. Sogleich kann ich kommentieren: "Mein Garten braucht Regen!" Der eine döst in der Sonne, die andere sitzt am Schreibtisch. Aber wir haben ein gemeinsames Thema: das Wetter. Die "stärkste Integrationskraft, die die Menschenwelt kennt", sei das Wetter, so Ralf Dahrendorf.

Der Soziologe hält viel von diesem "Leim, der Menschen zusammenhält", und als Theologin wage ich anzumerken: Gott sei dank, dass dieses Gesprächsthema niemals versiegt: "Solange die Erde währt, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze ..." (1. Mose 8,22).

Zum Gespräch übers Wetter gehören die Vorhersagen. Die gibt es biblisch in den zwei Varianten "göttlich" und "weltlich". Zu dem, was Gott ansagt, gehört etwa die wenig erfreuliche Wetter-Vorhersage für den Pharao: "Siehe, ich lasse morgen um diese Zeit einen schweren Hagel niedergehen" (2. Mose 9,18). Die weltlichen Wetterberichte der Bibel hingegen sind nüchtern harmlos: "Wenn ihr eine Wolke im Westen aufsteigen seht, sagt ihr sogleich: es kommt Regen; und so geschieht es. Und wenn ihr spürt, dass der Südwind weht, sagt ihr: Es wird sehr heiß werden; und es geschieht." (Lukas 12,54f.)

Einige extravagante Beiträge bietet das Buch der Bücher, um den Gemeinschaft stiftenden Wetter-Small-Talk auszuschmücken, etwa so: Ach ja, "für die Augen ist es gut, die Sonne zu schauen" (Prediger 11,7).
Ein Wettergespräch ist zu öde? Kein Problem. Biblisch lässt sich auch ethisch über den Regen reden: "wie ein Regen, der die Nahrung fortschwemmt und vernichtet, ist ein Mensch, der ein Haupt ist und die Geringen unterdrückt" (Sprüche 28,3).

An der Theologiegeschichte übrigens, ist das Wetter nicht spurlos vorbei gezogen. Der "Kleinen Eiszeit" im 16. Jahrhundert mit Unwetter, Überschwemmungen und Missernten verdanken wir den bangend-hoffenden Blick in den Himmel und eine neue Vermessung der Welt von Geistes- und Naturwissenschaften. Das zeigt sich auch im Heidelberger Katechismus. Das besondere Anliegen von Frage 110 ist der klimatisch bedingten Lebensmittelknappheit zu verdanken: "Gott verbietet ... alle Verschwendung seiner Gaben." Auch die Vorsehung Gottes in HK 27 umfasst nicht zufälliger Weise "Regen und Dürre, fruchtbare und unfruchtbare Jahre".

Beim Schreiben freue ich mich schon auf die 25 °C im Halbschatten auf der Terrasse. Für den Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Kolumne ist Gewitter angesagt. Für alle Wettergespräch-Fans, die mit Sonne, Regen, Donner, Hagel und Blitz mehr verbinden wollen als die Plauderei über einen physikalischen Zustand an einem Ort der Erde, bestimmt durch Gasdruck und Gasdichte, hier die calvinistische Theologie zum Gewitter:

"Wenn dichte Wolken den Himmel bedecken und heftiger Sturm ausbricht, so sehen unsere Augen nur traurige Finsternis, unsere Ohren betäubt der Donner, und all unsere Sinne erstarren vor Schrecken; deshalb scheint uns alles zusammenzubrechen und durcheinanderzugeraten - aber unterdessen bleibt im Himmel stets die gleiche Ruhe und Heiterkeit! So sollen wir auch festhalten: wenn uns in der Welt das Durcheinander alles Urteilen unmöglich machen will, so leitet doch Gott mit dem reinen Lichte seiner Gerechtigkeit und Weisheit selbst alle diese Bewegungen in bestimmter Ordnung und führt sie zum rechten Ziel." (Johannes Calvin)

Literatur

Dahrendorf, Ralf: Über Gesprächsthemen (1963), online: www.zeit.de/1963/36/ueber-gespraechsthemen

Calvin, Johannes, Institutio, Buch I,17,1

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Barbara Schenck, 7. August 2013