Christus erinnert nicht nur daran, wie gefährlich und verderblich die Seuche des Geizes ist, sondern macht auch darauf aufmerksam, welches Hindernis der Reichtum bereitet. Bei Markus mildert er zwar die Härte seiner Worte etwas, indem er seine Voraussage nur auf solche beschränkt, die ihr Vertrauen auf Reichtum setzen. Aber gerade mit dieser Einschränkung wird seine erste Feststellung für meine Begriffe eher bestätigt als eingeschränkt. Christus hätte auch sagen können, seine Jünger dürften sich nicht wundern, daß er den Reichen den Zugang zum Himmelreich so schwer mache, da beinahe allen das Übel gemeinsam ist, daß sie ihr Vertrauen auf ihren Reichtum setzen.
Übrigens ist diese Lehre für alle nützlich, den Reichen, damit sie sich an die Gefahr erinnern, vor der sie sich hüten müssen, und den Armen, damit sie mit ihrem Los zufrieden sind und nicht gierig nach Dingen trachten, die ihnen mehr schaden als nützen können. Es stimmt zwar, daß Reichtum an und für sich nicht im geringsten daran hindert, Gott zu folgen; aber da nun einmal das menschliche Herz verkehrt ist, kommt es so gut wie gar nicht vor, daß sich die Besitzenden nicht an ihrem Überfluß berauschen. So hält denn der Satan solche, denen der Reichtum zufließt, wie in Ketten gebunden fest, damit der Gedanke an den Himmel bei ihnen gar nicht aufkommen kann; ja, sie selbst vergraben und verstricken sich so in ihre Schätze, daß sie sich ganz und gar der Erde zu eigen geben. Das Gleichnis vom Kamel zeigt die Größe der Schwierigkeit nur noch mehr; es bedeutet, daß die Reichen zu sehr in ihrem Stolz und Selbstvertrauen aufgeblasen sind, als daß sie sich zu der Enge, zu der Gott die Seinen beschränkt, bequemen könnten. Mit dem Wort Kamel ist hier wohl eher das Schiffstau als das Tier gemeint.
Matth. 19, 25. Da das seine Jünger hörten, entsetzten sie sich sehr.
Die Jünger geraten aus der Fassung; denn es muß uns schon einigen Schrecken einjagen, wenn wir hören, daß den Begüterten der Zugang zum Reich Gottes versperrt ist. Denn wohin wir auch die Augen wenden, treten uns Tausende von Hindernissen entgegen. Immerhin sind die Jünger trotz ihres Erschreckens nicht vor der Lehre Christi geflohen. Ganz anders der junge Mann, von dem wir gerade gehört haben! Ihn hat die Härte der Forderung so erschreckt, daß er sich von Christus trennte. Die Jünger fragen wohl mit Zittern, wer dann überhaupt selig werden könne; aber sie lenken ihre Schritte doch nicht anderswohin, sondern versuchen, ihrer Bestürzung Herr zu werden. So ist es für uns gut, vor den Drohungen Gottes zu erschrecken, immer wenn er etwas Betrübliches und Beängstigendes verkündet, wenn nur unser Herz dabei nicht zu Stein, sondern noch viel lebendiger wird.
Matth. 19,26. Bei den Menschen ist‘s unmöglich.
Christus befreit die Seinen von aller Selbstherrlichkeit; denn es konnte ihnen nur heilsam sein, einmal zu merken, wie beschwerlich der Weg zum Himmel ist. Erstens sollen sie dadurch alle ihre Anstrengungen dorthin richten, und zweitens sollen sie ihrer eigenen Kraft mißtrauen lernen und sie lieber vom Himmel erflehen. Wir sehen, wie groß unsere Trägheit und Gleichgültigkeit ist. Was würde geschehen, wenn die Gläubigen meinten, sie brauchten nur einen netten Spaziergang durch eine liebliche, angenehme Ebene zu machen? Das ist auch der Grund, warum Christus die Gefahr nicht geringer darstellt, sondern sie eher noch vergrößert, obwohl er den Jüngern ihre große Angst ansieht. Denn während er vorher nur gesagt hat, es sei schwierig, behauptet er nun, es sei unmöglich. Daraus ergibt sich auch, daß all die Lehrer auf einem falschen Weg sind, die sich scheuen, hart zu reden, und dabei nur der Feigheit ihres Fleisches huldigen. Wir wollen vielmehr die Regel Christi befolgen, der seine Rede so einrichtet, daß er die Menschen, die an sich selbst verzagen, lehrt, bei der einen Gnade Gottes Zuflucht zu suchen, und sie zugleich zum Beten ermuntert. Wir helfen also der Schwachheit der Menschen am klügsten so, daß wir ihnen gar nichts mehr zuschreiben und ihre Herzen ganz zur Hoffnung auf die Gnade Gottes ausrichten. Mit dieser Antwort Christi wird übrigens auch der verbreitete Lehrsatz widerlegt, den die Papisten von Hieronymus haben, der besagt, daß jeder, der behauptet, es sei unmöglich, das Gesetz zu erfüllen, verdammt ist. Denn Christus verkündet hier deutlich, daß es den Menschen unmöglich sei, den Weg zur Seligkeit einzuhalten, wenn die Gnade Gottes sie nicht dabei unterstützt.