Suizidassistenz
Das deutsche Bundesverfassungsgericht urteilt, Staat und Gesellschaft hätten Selbstmord als Akt autonomer Selbstbestimmung zu respektieren, und daher müsse Sterbehilfe möglich sein. So entsteht demnächst ein neues Wort, das klingt wie ein Beruf: Suizidassistenz. Ein herrliches Beispiel für die Paradoxie der Postmoderne!
Die alles dominierende Freiheit, the liberty of choice, von freier Marktwirtschaft übertragen auf die ganze Lebensführung und von religionsbefreiter Ethik unter den Superwert der Autonomie gestellt, gaukelt vor, auch gegenüber dem Leben selbst habe der Mensch diese Freiheit. Als ob es ihm gehörte! Nein, Tod und Leben selbst sind die Fremdbestimmung schlechthin, eine fremdere gibt es nicht. Ohne mein Zutun bin ich mir ins Leben getreten, und ohne mein Zutun nimmt mich der Tod mir weg. Er ist die Heteronomie schlechthin, an der jede Autonomie scheitert. So wenig selbstbestimmt bin ich angesichts des Todes, dass ich, herrlich paradox, womöglich einen Suizidassistenten brauche, um auch noch die letzte liberty of choice wahrzunehmen …
Theologie hat die Aufgabe, weder die Heteronomie einer autoritären Kirche zu vertreten, die einfach dekretiert, was geht und was nicht, noch die Autonomie einer hybriden Epoche, die meint, Herrin über Leben und Tod zu sein, sondern dialektisch eine reflektierte Theonomie: Sie aber sagt, dass Leben und Tod unverfügbar sind, also auch nicht wählbar. Genau das ist beider Würde! Wie Hiob versteht sie Gott als Gebenden und Nehmenden, ohne deshalb aber den Suizid zu verteufeln: Doch, es ist möglich, dass ich lebenssatt bin und also auf Essen und Trinken verzichte. Dafür brauche ich keinen Sterbeprofi, und ich respektiere die Würde, die Leben und Tod haben, weil sie unverfügbar sind. Glücklich, wer das kann.
MK