Provokation

Herausforderung

Absurdes und Nachdenkenswertes aus den sozialen Medien kommentiert von Georg Rieger

Dasselbe Niveau

»Sollte es sich als wahr erweisen, (...) dass auch der Staatssozialismus das Heilmittel der sozialen Krankheit nicht ist, als das man ihn einst ausgegeben hat und als das er jetzt im Osten so laut gepriesen wird, dann würde das schließlich nur bedeuten: (...) die Wurzel des Übels sitzt tiefer, in einer menschlichen Verfehlung, aus der die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen in immer neuen Formen notwendig hervorgeht – so notwendig, dass sie auch durch die bestgemeinten und schärfsten Gegenbewegungen wohl aufgehalten, in ihrer Form verändert, aber eben nicht aus der Welt geschafft werden kann.« (Karl Barth, § 55 Freiheit zum Leben (1951), in: KD III/4, 625)
 

Mieses Stück

»Der Hass ist die Rache des Schwachen.« (Karl Barth, Gespräch mit Kunstgewerbeschülern (1.2.1966), in: Gespräche 1964-1968 (GA IV.28), 208)

Zeit des Erwachens

»Wir können nicht teilnahmslos zusehen, wie der Zeiger der Uhr und der Kalender ihr allmähliches, aber unaufhaltsames Vorbeigehen ankündigt, sondern Möglichkeiten, Gelegenheiten, Hoffnungen enthalten sie, und beunruhigen muß uns der Gedanke, sie könnten unbenutzt verstreichen. Nicht Schlafenszeit, nicht Träumerzeit sind diese jetzigen Minuten, Stunden und Tage, sondern Zeit des Erwachens, des Aufstehens, des Zugreifens, des Schaffens.« (Karl Barth, Predigt zu 2. Kor 6,1-2, in: Predigten 1920 (GA I.42), 268)

Ritterschlag

»Wieder in einem anderen Land, da sind lauter Ritterschlösser, auf hohen, hohen Bergen, die über tiefe, tiefe Täler feindselig zueinander hinüberblicken. Und da wohnen auch wirklich stolze Ritter wie im Mittelalter, stolz auf ihren Charakter, stolz auf ihr Geld, stolz auf ihre Verwandten, stolz auf ihre Meinungen, stolz auf ihr Vaterland. Und einer trotzt gegen den anderen, wer's am besten könne, und weil es alle am besten können, kann da nie Ruhe sein, sondern da weht immer ein Kriegsfähnlein, da blinken drohend Kanonenrohre zu den Fenstern hinaus, da ertönen zornige Trompeten: wag's und komm! Und da muß es dann natürlich von Zeit zu Zeit losgehen, manchmal im Kleinen zwischen Ritter Fritz und Ritter Hans oder auch zwischen ihren stolzen Rittersfrauen, manchmal im Großen: da kommen die Völker aus lauter Stolz hintereinander, und aus dem Völkerstolz wird der Völkerkrieg. Diese Gegend kennen wir jetzt ziemlich gut.« (Karl Barth, Predigt zu Apg. 2,5-11, in: Predigten 1915 (GA I.27), 219) 

Abgrund der Liebe

»Die Not um uns her stört uns doch, und aus der Tiefe unseres Wesens bricht immer wieder wie eine verschüttete Quelle das Bedürfnis hervor: ich möchte etwas tun, wenn ich kann, für die Brüder, die böser dran sind als ich, (...) und so wird offen und in der Stille viel getan. Und doch ist etwas Unheimliches an dieser Liebe, und nur kurzsichtige Menschen können sich mit alledem, und wenn noch zehnmal mehr geschähe, zufrieden geben. Denn wo geht eigentlich unsere Liebe auf den Grund? Wo ist die Liebe, die einmal nicht nur Wunden verbinden, sondern verhindern will, dass Wunden geschlagen werden? Wir unterstützen vielleicht gerne die oder jene ärmere Familie, aber wir haben uns noch nie die Mühe genommen, einmal auch nur gründlich nachzudenken darüber, woher eigentlich die kuriosen Gegensätze von Reichtum und Armut kommen. (...) Wir zahlen gerne unsere Beiträge an die verschiedenen Anstalten, besonders gerne darum, weil wir dann denken, die Pflicht loszusein, uns zu überlegen, warum es überhaupt solche Anstalten geben muss und ob sie nicht viel eher eine Schande als eine Ehre für ein Volk sind, so nützlich und notwendig sie sein mögen. Warum kommt unsere Liebe und Liebestätigkeit immer zu spät, immer erst dann, wenn eigentlich nicht mehr zu helfen, sondern nur noch zu flicken ist? Spielt nicht alle unsere Liebe, auch die eifrigste, immer nur die traurige Rolle der Sanität im Kriege?! Setzen wir nicht am Ende das wunderbare Wort: die Liebe höret nimmer auf! [1. Kor. 13, 8] darum auf die Grabsteine der Toten, weil unsere Liebe im Leben immer gerade da aufhört, wo sie anfangen sollte?« (Karl Barth, Predigt zu 1 Joh 3,15-18, in: Predigten 1916 (GA I.29), 304f) 

Karikaturesk

»Wie sollte es Gott nur mit einem – mit diesem oder jenem nationalen – Staat halten und nicht vielmehr allein mit seinem, dem rechten Staat in allen nationalen Staaten? (...) Ein nur nationaler, nur nationalen Interessen dienender Staat – wir sehen heute, dass wenigstens Annäherungen an diese Karikatur möglich sind – würde freilich eben damit aufgehört haben, rechter Staat zu sein. In einem solchen nur noch unrechten Staat würde der Christ seine bürgerliche Loyalität nur noch kämpfend und leidend beweisen können. Seien wir, Sie als Amerikaner und ich als Schweizer, dankbar, dass uns dieser Konflikt, in welchem heute z. B. unsere Brüder in Deutschland stehen, insofern erspart ist, als unsere nationalen Staaten in aller ihrer Unvollkommenheit wenigstens ein gutes Stück weit auch als rechte Staaten anzusprechen sind. Machen wir das Beste daraus! Wir werden damit alle Hände voll zu tun haben.« (Karl Barth, Brief an einen amerikanischen Kirchenmann, 1942, in: Eine Schweizer Stimme: 1938-1945, 275, 277)


»How could God prefer just one – this or that – national state, rather than first and foremost his own, the true State, within all national states? (…) A totally national state which serves only national interests – and we can see today that such a caricature is possible – would no longer be a righteous state. In such an injust state the Christian can show his civic loyalty only by resistance and suffering. Let us be thankful, you as an American, I as a Swiss, that we do not have this conflict, insofar as our national states, in all their imperfections, are at least to some extent also ›righteous‹ states. Let's make the best of it! We'll have enough to do with that.« (Karl Barth, The Role of the Church in Wartime (A Letter to American Christians), in: The Church and the War, 1944, 21,24)
 

Kuckucksnest

»An ›unausrottbaren‹ Dispositionen – nun nicht gerade zum Verbrechen, aber zu Verhaltens- und Handlungsweisen anderer, auf den ersten Blick vielleicht harmloserer, im Grunde vielleicht noch viel gefährlicherer Art leiden wir alle. Bei dem einen mag es ein unausrottbarer Machttrieb sein, bei dem anderen eine unausrottbare Ichbezogenheit und beim dritten eine unausrottbare Theatralik und beim vierten eine unausrottbare Gschaftelhuberei [=Aktivismus] und beim fünften eine unausrottbare Geistesträgheit … Ich will nicht fortfahren. Aber wer von uns trägt nicht irgendeine solche unausrottbare Disposition in sich?« (Karl Barth, Gespräch mit Strafanstaltsseelsorgern (11.5.1960), in: Gespräche 1959-1962 (GA IV.25), 61f) 


Janine Bürger
Usurpatoren

»Und was aus dem Völkerbund jener Jahre geworden ist, das war schließlich ein Bündel von Vorbehalten, die im Einzelnen alle so wohl begründet waren, daß das Ganze an ihrer Summe notwendig sterben mußte. In diese Welt böser Unsolidarität fuhr dann wie ein zündender Blitz die mächtige Absicht der Usurpatoren, sich das ganze private und isolierte Wesen, in dem wir existierten, zunutze zu machen, um uns zur Solidarität mit ihnen anzuhalten d. h. um ihren Willen zu unser aller Gesetz zu erheben. Wie haben sie es verstanden, einen Bereich und dann auch ein Volk nach dem anderen an die Reihe zu nehmen! Sie spekulierten offenbar auf unsere Uneinigkeit und sie haben lange genug von ihr profitieren können.« (Karl Barth, Die geistigen Voraussetzungen für den Neuaufbau in der Nachkriegszeit (1945), in: Eine Schweizer Stimme: 1938-1945, 424f) 

Vogelschiss

»Die Lüge und Brutalität, aber auch die Dummheit und die Angst wachsen und sind längst über die Grenzen Deutschlands hinausgewachsen. Und Europa versteht die Gefahr nicht, in der es steht. Warum nicht? Weil es das erste Gebot nicht versteht, weil es nicht sieht, daß der Nationalsozialismus die bewußte, prinzipielle und systematische Übertretung eben des ersten Gebotes bedeutet. Und weil es nicht sieht, daß diese Übertretung als Sünde gegen Gott das Verderben der Völker nach sich zieht.« (Karl Barth, How my mind has changed, 1928-1958, in: Der Götze wackelt, 1961, 188f) 

Silicon Valley

"[Rom:] die ganze damalige Welt hatte hier ihre Seele, hier liefen die eisernen Drähte zusammen, an denen sie gelenkt wurde bis in ihre fernsten Teile, hier sammelte sich das Schönste und Wertvollste, was die vier Himmelsgegenden hervorzubringen hatten, hier fand sich die Weisheit und Lebenserfahrung aller Völker, hier freilich auch der Schmutz und Abschaum aus aller Herren Länder. (...) Rom kennen hieß die ganze Menschheit kennen. Rom bekämpfen hieß ein Feind des ganzen Menschengeschlechtes sein. Rom erobern hieß Herr der Welt werden. Wer durfte an so etwas denken? Rom war unüberwindbar. Rom war ewig. Rom war göttlich. Man darf sich nicht wundern, daß die römischen Kaiser sich Opfer und Anbetung darbringen ließen, als ob sie Götter wären. Kein Römer empfand das als Übermut, sie verehrten im Kaiser sich selbst als Gottheit, Roms Macht, Roms Weisheit, Roms Reichtum. Rom war die Welt, die Welt der Waffen, die Welt des Geldes, die Welt der Klugheit und der gescheiten Worte, die Welt, in der die Mehrheit und der Stärkere Recht hat. Warum sollte Rom nicht auch Gott sein, göttliche Ehre genießen in der Person seines Kaisers? Warum nicht?" (Karl Barth, Predigt zu Röm 1,16, in: Predigten 1914 (GA I.5), 12f)

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