Der Mühe nicht wert?

Mittwochskolumne von Martina Wasserloos-Strunk


Jetzt will sie sogar zum Bundesverfassungsgericht: Eine Rentnerin klagte erfolglos gegen die Sparkasse wegen der pauschalen Bezeichnung als 'Kunde'. Der Bundesgerichtshof lehnte die Klage ab. Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, so die Begründung. Warum die zwei kleinen Buchstaben 'in' trotzdem einen großen Unterschied machen können.

Seit kurzem ist es amtlich: Wenn ich bei der Bank oder woanders ein Formular unterschreibe, auf dem ich als „Kunde“ angesprochen werden, dann bin ich als Frau auch gemeint  und vor allem: nicht diskriminiert! Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die männliche Form der Sprache – etwa bei den Worten „Kunde“, „Einzahler“, „Sparer“  – gängiger Sprachgebrauch sei und Frauen selbstverständlich „mitgemeint“ sind. Also – habt Euch mal nicht so, liebe Schwestern!

Natürlich können wir froh sein, dass wir in diesem Zusammenhang überhaupt berücksichtigt werden – mussten doch unsere Großmütter noch die Erlaubnis einholen um überhaupt ein Konto eröffnen zu dürfen. Und schließlich: was soll man nur tun, wenn der allgemeine Sprachgebrauch es nahe legt, uns Frauen unsichtbar zu machen? Ja geht’s noch? Da wird anhand eines Sparkassenformulars entschieden, dass ich nichts zu entscheiden habe? Zum Beispiel ob ich mich gemeint fühle oder nicht?  Die männliche Ansprache – so das Gericht – sei nur dann diskriminierend, wenn dazu noch eine grundsätzliche Benachteiligung erfolgen würde. Da frage ich mich doch – was ist eine noch grundsätzlichere Diskriminierung als die Tatsache, dass ich einfach nicht genannt werde? Und außerdem ist es ja so kompliziert in Formularen beides zu verwenden. Sooo sehr…!! Mit anderen Worten: der Mühe nicht wert.

Lieber Bundesgerichtshof, hast Du schon mal was vom Sprachwandel gehört? Schließlich haben wir die Frolleins ja auch mal so genannt und tun es jetzt nicht mehr – außer in sehr ernsten Gesprächen mit unseren Töchtern. Wir wissen doch schon lange, dass Sprache Realität nicht nur abbildet, sondern auch beeinflusst. Sprache bildet Bewußtsein! So lange wir nur mit „Polizisten“ zu tun haben, werden wir jede „Polizistin“ als Sonderfall wahrnehmen. Möglicherweise hat das Konsequenzen für die Kommunikation – wer soll die schon ernst nehmen?! So lange in den Aufsichtsräten „Manager“ sitzen, kommt keiner auf die Idee, dass auch Frauen im Management tätig sind – also, jetzt mal nicht als Sekretärinnen. Hat überhaupt schon mal jemand darüber nachgedacht, dass das „Mitgemeint-Werden“  für Männer im umgekehrten Fall überhaupt nicht gilt?

Vielmehr wird hier schon vorausgesetzt, dass  Männer eine eigene Bezeichnung brauc hen: die frauenbesetzte Domäne „Kindergarten“ hat nicht dazu geführt, dass jetzt alle „Kindergärtnerin“ heißen und auch im Fall des männlichen Falles hat sich nicht die Bezeichnung  „Kindergärtner“ durchgesetzt, sondern  männliche Kindergärtnerinnen heißen jetzt „Erzieher“ – hört sich ja auch gleich viel besser an. Und natürlich gibt es auch keine männliche Hebamme, oder gar einen „Hebamm“  sondern das heißt jetzt geschmeidig:  Geburtshelfer. Da war Ringelnatz schon weiter mit seinem „männlichen Briefmark“.Scheint irgendwie mit dem „Mitgemeint-Werden“  nicht durchgängig zu funktionieren…

Ich gebe ja zu – wir haben gewiss wichtigere Probleme auf dieser Welt, die Grünflächenverordnung zum Beispiel oder die Farbe auf der Straße der Brucknerallee. Trotzdem  - ich wollte das mal gesagt haben. Als Leser.


Martina Wasserloos-Strunk