Birthday Party - Rosh HaShanah

Nes Ammim - aus dem Alltag in einem nicht-alltäglichen Dorf in Israel. 11. Kapitel


Schanah tova! - Gutes (neues) Jahr!; ccFoto: Ephraim Moshe Lilien

Das jüdische Neujahrsfest: Rosh HaShanah

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Inhalt Tagebuch

Tobias Kriener erzählt:

1.10.2016

Den Tag über haben wir in Nes Ammim gechillt, weil alle Autos weg waren. Jönne hat den Pool ausprobiert.

Abends dann ein sehr schöner Gottesdienst –  so habe ich es selbst erlebt, und so haben es mir viele nachher gesagt; ich denke, es lag daran, dass die Mitglieder des „Church Committee“ – also junge Volontäre – den Raum mit großem Gespür für Schönheit gestaltet haben; dass sie mit Seele Musik gemacht haben; dass sie ganz ohne Pathos, absolut natürlich die Bibeltexte gelesen haben; es war eben keine Frontalveranstaltung, sondern von vielen im Miteinander gestaltet – und das hat die BesucherInnen dazu eingeladen, selber intensiv den Gottesdienst zu feiern. Ich würde mich freuen, wenn das zum Ausgangspunkt einer guten Gottesdienstkultur in Nes Ammim werden würde.

Und danach dann der große Spielabend. Besonders gefreut hat mich, dass Brigitte (kräftig unterstützt durch Beate) solchen Spaß daran gefunden hat; die jungen Volos haben mal wieder Risiko gespielt –  kann ich ja verstehen: in ihrem Alter habe ich da ja auch sehr drauf gestanden, bevor ich dann die große Welt der viiiiel besseren Spiele entdeckt habe...; mit Jael und Jönne zur Krönung ein „Caverna“.

Und um Mitternacht dann ein Gläschen Prosecco – und von den Volos „Happy Birthday“ in 3 Sprachen: Englisch, Deutsch, Hebräisch – nur niederländisch hat gefehlt. Und liebe kleine Reden und Geschenke. Es war so berührend und beglückend!

Gleich muss ich Jael und Jönne wieder zum Zug bringen, der sie hoffentlich pünktlich zum Flughafen befördert. Weihnachten sehen wir uns erst (schon ...) wieder.

Geburtstag

2.10.2016

An meinem Geburtstag

  • habe ich in aller Frühe Jael + Jönne zum Bahnhof nach Naharija gebracht, damit sie den Flug zurück nach Berlin zeitig erreichen.
  • habe ich versucht, Dinge per Telefon und Mail zu regeln – und mal wieder gemerkt, was für ein Greenhorn ich noch bin. Niemand ging ans Telefon; niemand antwortete auf meine Mails; langsam wurde mir klar, dass ja heute Erev Rosh haShanah ist – und das ist so ähnlich wie Heiligabend bei uns: Alle sind völlig von den Vorbereitungen für die große Festperiode (Rosh HaShana, Jom Kippur, Sukkot) absorbiert – was interessiert da, wenn ein Coordinator of Studies einen Termin für Nes Ammim vereinbaren will. Ich vermute, ich kann Ende des Monats noch mal einen Versuch starten...
  • habe ich dann dies und das an kleinen Posten auf meiner to-do-Liste abgehakt;
  • bin ich in der Reformsynagoge in Naharija gewesen. Der Organist und Sänger hat mir diesmal wesentlich weniger gefallen –  war super-schmalzig ... aber die Aufnahme ist einfach wieder sehr herzlich gewesen! Und ich traf Edna, die nette Frau aus der Botschaft, die meinen Visumsantrag betreut. Wegen meines Geburtsorts Beirut muss noch was nachgereicht werden – der Staat Israel befürchtet anscheinend, ich könnte unerwünschte Familienzusammenführung beabsichtigen... Wir hatten die Woche noch überlegt, ob ich in die Botschaft kommen soll, oder ob das auf dem Postweg erledigt werden kann; wenn wir ein bisschen nachgedacht hätten, hätten wir uns gleich in der Synagoge von Naharija verabreden können, denn sie hatte uns ja erzählt bei unserem Besuch in der Botschaft, dass ihre Mutter oder Schwiegermutter hier sehr aktiv in der Gemeinde ist...
  • habe ich auf dem Rückweg bei Feisal noch leckere Sachen eingekauft. Wie gut, dass es die Araber gibt, die an den jüdischen Festtagen offen haben...
  •  habe ich abends dann noch im Dishwash ausgeholfen; Jan war allein zum Dishwash eingeteilt – obgleich der Speisesaal voll belegt war; wenn nicht ich und das Ehepaar Ritsema, das zum Acquaintance-Visit hier ist, mitgemacht hätten, hätte der gute Jan wohl bis weit nach Mitternacht an der Dishwashingmachine gestanden – diese Arbeitsplanung war eher suboptimal...
  • habe ich leider keine Bilder gemacht – also nur ein sehr trockener Bericht diesmal.
  • habe ich mich vor allem aber über viele, viele Glückwunschmails gefreut!

Rosh HaShanah niedrigschwellig

3. 10 2016

Erst mal muss ich gestehen, dass es gestern doch ein Bild gab: Der Karmel im Licht der aufgehenden Sonne. Auf dem Foto ist es längst nicht so schön, wie in Wirklichkeit – aber einen Eindruck vom Panorama kriegt man immerhin.

Heute Morgen bin ich dann nach Nahaharija in die Reformsynagoge. Mit meinem Bikel, das in seiner Geschwindigkeit aufgrund der nur 7 Gänge doch beschränkt ist, brauche ich, wenn ich die Abkürzung durch Mazra'a nehme – nur 25 Minuten; mit meinem „Uber-Bike“ mit Roloff-Schaltung werde ich wahrscheinlich unter 20 Minuten bleiben können.

Der Besuch war eher mager. Mir wurde die Ehre zuteil, bei einer der vielen Öffnungen des Torahschreins mitmachen zu dürfen. Allerdings waren im Verlauf des Gottesdienstes fast alle mal dran mit der Öffnung des Torahschreins, weil eben nicht so viele da waren. Gleichwohl habe ich es als Zeichen des Auf- und Angenommenseins zu schätzen gewusst.

Ich habe mir die volle Dröhung gegeben: Also einen Gottesdienst von Anfang bis Ende – etwas über 3 Stunden. Zur Torah-Lesung aufgerufen wurden erst die Jugendlichen – etwas älter als Konfis – ich würde schätzen so Firmlingalter; dann das neueste Mitglied der Gemeinde; die Frauen bekommen einen schicken Damentallit umgehängt, wenn sie den Segen zur Torahlesung sprechen; zwischendurch geht es immer etwas chaotisch zu, weil man sich immer wieder vergewissern muss, was jetzt als nächstes kommt; die Leitung ist kollektiv: Sie wechseln sich ständig beim Vorsingen und Vorbeten ab. Die Lesung aus der Torah selber war nicht ganz fehlerfrei. Es ging um die Geburt Isaaks und die Vertreibung Hagars und Ismaels; in der Haftara (der Torahlesung korrespondierende Lesung aus den Prophetenbüchern) ging's um die Geburt Samuels. Die Drascha („Predigt“ wäre zu viel gesagt) war kurz und ging leider nicht auf die Hagar-Episode ein, sondern beschränkte sich auf die Freude über das neue Leben... Und natürlich wurde feste Schofar geblasen. Das hat der Schmalzorganist (es war noch einen ganzen Tacken schmalziger als gestern Abend, aber doch irgendwie auch rührend und anrührend) hervorragend hingekriegt: Ich bin ja immer wieder erstaunt, wie man aus diesen Widderhörnern überhaupt Töne herauskriegt – wenn es auch wahrlich keine „schönen Töne“ im landläufigen Sinne sind.

Insgesamt hat's mir wieder gefallen, weil sie so herrlich niedrigschwellig sind: Jeder kann mitmachen – Perfektion wird nicht erwartet.

Auf dem Rückweg bin ich dann wieder die Küste entlanggefahren. Heute war allerdings der verschnarchte Strand von Shavei Zion geradezu überfüllt. In der Getränkebude herrschte Hochbetrieb, so dass ich mir diesmal gespart habe, dort einen Kaffee Hafuch zu mir zu nehmen.

Zurück in Nes Ammim dann am Nachmittag wieder Ulpan, und am Abend Spieleabend. Die Volos lasse sich auf meine Spiele immer noch nicht ein; dafür habe ich Schmulik – dem Bruder unseres Kochs Mosche – Agricola beigebracht: er war begeistert!


Dr. Tobias Kriener, Studienleiter in Nes Ammim, Oktober 2016