Die ''Trickserin'' auf dem Weg zur Erlösung

Am Rockzipfel des Judentums: Der Midrasch fügt Frauen ein, wo die Bibel nicht von ihnen erzählt.

"Frauen und Erlösung" ist ein klassisches Thema im Midrasch. Ausgehend von den wenigen mit Namen genannten Frauen in der Genealogie Davids, wie Ruth und Tamar (Ruth 4,11f.), erzählt der Midrasch von weiteren weiblichen Charakteren in der Geschichte unter der messianischen Verheißung. Eine von diesen Frauen ist die Magd, die dafür sorgte, dass Ischai, Davids Vater, nach drei Jahren verweigertem Beischaf wieder mit seiner Frau schlief und David zeugte.

"Die Legende von der Magd" stammt aus dem Jalkut Hamachiri, einer mittelalterlichen Sammlung von Midraschim. Im folgenden ist die Geschichte, eine Auslegng von zwei Psalmversen, zitiert aus dem Text "Die Trickserin - Eine feministische Midrasch-Lektüre" von Charlotte Elisheva Fonrobert (2001) auf bet-debora.net:

"Der Stein, den die Bauleute verwarfen, ist zum Eckstein geworden" (Ps. 118:22). Midrasch: "Doch siehe, in Sünde (be'avvon) ward ich gezeugt" (Ps 51:7) - ("in Sünde") wird mit zwei Vavin [zweimal der Buchstabe vav] geschrieben. Zwei Amoräer in Palästina stritten sich, wie dieser Vers zu interpretieren sei. Einer sagte, David war der Sohn der geliebten Frau, der andere sagte, David war der Sohn der verhaßten Frau. Wie kommt das? Ischai war das Oberhaupt des Sanhedrins [oberste Versammlung]. Er ging fort und kehrte mit einer Armee von 600.000 zurück, und er hatte 60 erwachsene Söhne. Er entzog sich drei Jahre lang dem Sex mit seiner Frau, und nach drei Jahren erwarb er eine schöne Magd, und er verzehrte sich nach ihr. Er sagte zu ihr: Meine Tochter, erwerbe für heute Nacht (deine Freiheit), damit du mit dem Beleg deiner Freilassung zu mir kommen kannst.
Die Magd ging und sagte zu ihrer Herrin (Ischais Frau): Rette dich und meine Seele und meinen Meister aus dem Gehinnom [Hölle]! Die wiederum sagte zu ihr: Was ist der Grund? Da erzählte sie ihr alles. Die Herrin sagte: Meine Tochter, was kann ich machen, wenn ich sehe, daß heute drei Jahre vergangen sind, in denen er mich nicht berührt hat. Die Magd antwortete: Ich will dir einen Rat geben. Gehe und bereite dich vor, so wie ich, und in der Nacht, wenn er die Türen schließen läßt, wirst du eintreten und ich werde hinausgehen. So geschah es. In der Nacht stand die Magd auf und löschte das Licht, sie ging, um die Tür zu schließen, und während sie hinausging, trat die Herrin ein. Sie liebten sich die ganze Nacht, und sie ward schwanger mit David."

Die Quelle für diesen Midrasch und für viele weitere Auslegungen von zeitgenössischen Jüdinnen ist die Internetseite von Bet Debora: www.bet-debora.net

Bet Debora, das Lehrhaus der Debora, ist eine 1998 ins Leben gerufene Initiative jüdischer Feministinnen, die in den Jahren 1999, 2001, 2003 und 2006 zu Tagungen europäischer Rabbinerinnen, Gemeindepolitikerinnen, jüdischer Aktivistinnen und Gelehrter einlud. Die Tagungsbeiträge sind auszugsweise auf www.bet-debora.net online veröffentlicht.

 

Dieser Beitrag ist Teil der Serie "Am Rockzipfel des Judentums - Freitags ein Denkanstoß aus dem Hause Israel"

in Anlehnung an Sacharja 8,23, wo der HERR der Heerscharen spricht:
"In jenen Tagen, da ergreifen, ja ergreifen zehn Menschen aus allen Sprachen der Nationen den Zipfel einer einzigen jüdischen Person und sagen: 'Wir wollen mit euch gehen; denn wir haben gehört: Mit euch ist Gott.'" (BigS)


bs, 14. Juni 2013
Freitags ein Denkanstoß aus dem Hause Israel