Roboter-Theologie

Notat to go. Von Barbara Schenck


Ein singender und schauspielernder Roboter im phaeno, Wolfsburg. Foto: Johanna Buitkamp

Zwei Roboter schaffen in meinem Haushalt: einer saugt, einer wischt. Ein leises „Dadidada“ erklingt aus dem Arbeitszimmer meines Mannes. Das soll wohl heißen: Hallihallo!

Jetzt ein sanftes Rattern, gefolgt von sachtem Brummen. Ach ja, die Programmierung! Robi hat sich gerade selbstständig von seiner Ladestation gelöst. Er meint, der Boden müsse gesaugt werden. Das ist nun wirklich nicht nötig! Doch stoppen mag ich den fleißigen Helfer nicht. Irgendwie ist er doch nicht nur eine Maschine!
Für dieses mein Empfinden gibt es einen Fachbegriff aus dem Vokabular theologischer Ethik: Ich befinde mich im Modus des „zweifachen Bewusstseins“. Den Roboter sehe ich als eigenständige Persönlichkeit, wohlwissend: Er ist eine von mir programmierte Maschine, die nur simuliert, ein Subjekt zu sein. In der widersprüchlichen Interaktion mit "subjektsimulierenden Maschinen" sieht der Theologe Christopher Scholz eine Chance, unsere Interaktionsformen zu erweitern. Simpel gesagt: Auch als Erwachsene darf ich mit meiner Roboter-Puppe sprechen.

Menschen empfinden sogar Mitleid mit Robotern. Bei einem Testversuch in Arizona stakste der Minensuchroboter über den Boden. Jedes Mal, wenn er eine Mine auslöste, verlor er ein Teilstück seiner Gliedmaßen. Entsetzt stoppte ein Oberst der US-Army den Test. Den Anblick des humpelnden Roboters konnte er nicht ertragen.

Freiheit

So blöd, meinen Roboter zu schlagen und damit vielleicht zu zerstören bin ich natürlich nicht. Schließlich schenkt er mir Tag für Tag ein wenig Freiheit – zumindest im Sinne von Freizeit.
Hinter der guten Behandlung eines Roboters steckt aber auch eine höhere Ethik, so Christopher Scholtz:
„Gerade weil der Mensch unbedingt zu schützen ist, darf beim Umgang mit menschgeschaffenen Wesen keine Beliebigkeit herrschen, denn dies würde den Menschen dazu verleiten, auch die Mitmenschen in ihrer Würde herabzusetzen.“ 

Einen Robi in Gang zu setzen und zu pflegen, das ist Spielerei, nicht kräftezehrende Hausarbeit. Spielspaß statt raue Hände! Und nun sage niemand: Das habe nichts mit Theologie zu tun: Gott spielte bekanntlich auch – mit dem Leviathan (Psalm 104). Der reformierte Theologe Jürgen Moltmann preist das Spiel: „Man kann … Befreiung spielend vorwegnehmen und den Bann der Entfremdung von wahren Leben lachend abschütteln.“

Die Robotik-Revolution ist jetzt, lese ich in der Zeitung. Stimmt für unser Pfarrhaus. Leider sind unsere Robis nicht die klügsten, der Wisch-Robi etwa kapituliert hin und wieder an der Fußleiste. Andere, wie etwa „Watson“, lernen was das Zeug hält. Er besiegt Menschen in Quizduellen und empfiehlt binnen Sekunden eine optimale Behandlung gegen eine außergewöhnliche Krebskrankheit. Aber versteht er die Gefühle des Patienten?*

Ethik

Mit der Technik wird die Ethik auf den Plan gerufen – zumindest in der Presse: Vernichten die Roboter unsere Arbeitsplätze? Werden Menschen an den Leistungen der Roboter gemessen und nach Algorithmen bewertet? Wollen wir das? Fürchten wir uns gar vor Robotern?

Nein, Angst habe ich nicht vor diesen liebenswürdigen Maschinen, aber davor, dass Menschen sie missbrauchen als bestialische Waffe.
Dabei könnte doch alles so traumhaft sein: mehr Wohlstand mit weniger Arbeit, ein Grundeinkommen für alle. So ließe sich die Technik nutzen, müsste nur das Wirtschaftssystem mitziehen.
Am Ende bleibt‘s bei altbekannter Sündenlehre: Der Mensch ist das Problem, nicht der Roboter.

Literatur
*Vgl. Robert Gast, Hallo Mensch! In: SZ vom 12./13. Juli 2014.
Roman Pletter, Ist er besser als wir?, in: Die Zeit vom 10. Juli 2014.

Roboter-Ethik
Christopher Scholtz
, Leben mit dem Roboter - Leben im Roboter? Zur theologischen Dimension der alltäglichen Wahrnehmung des Roboterhundes Aibo, in: Magazin für Theologie und Ästhetik 35/2005, http://www.theomag.de/35/crs1.htm
Johannes Wendt, Brauchen wir Roboterschutz-Gesetze?, in: Die Zeit, 10. Mai 2013

Theologie des Spiels
Homo ludens. Spiel und Spieltheorien (24/2003) des Magazins für Theologie und Ästhetik; http://www.theomag.de/24/pd1.htm
Jürgen Moltmann, Die ersten Freigelassenen der Schöpfung. Versuche über die Freude an der Freiheit und das Wohlgefallen am Spiel, Chr. Kaiser Verlag 1971, zitiert nach: Rainer Berghausen, Gott spielt mit: www.ekir.de/bonn/08/jug/dokumente/GOTT_SPIELT_MIT.pdf

Wirtschaften im zweiten Maschinenzeitalter
Grundlegend zur Frage, wie wir ein neues Wirtschaftssystem schaffen, dass mit der technischen Entwicklung Schritt hält: Ökonomieprofessor Erik Brynjolfsson (Interview: www.mckinsey.com)
Ders./McAfee: Second Machine Age. Work, Progress, and Prosperity in a Time of Brilliant Technologies (2014)

Der singende und schauspielernde Roboter auf YouTube:
https://www.youtube.com/watch?v=ax6sZYwtcww

Barbara Schenck, 16. Juli 2014