... in denen ganz selbstverständlich und sogar überwiegend Laien mitbestimmen, was in ihren Kirchen passiert. Selbst die lutherischen Bischöfe füllen im deutschen Sprachraum ein „synodales Bischofsamt“ aus, indem sie an synodale Beschlüsse gebunden sind. Die deutschen evangelischen Kirchen sind also synodal organisiert. Ganz selbstverständlich? Ja woher!
Bis ins letzte Jahrhundert hatten in fast allen Kirchengebieten – auch in den reformierten – die Fürsten bzw. Könige das Kirchenregiment inne. Mangels Kompetenz holten sich diese „obersten Bischöfe“ Theologen, Juristen und Verwaltungsbeamte als „Räte“ in ein Konsistorium und ließen diese die Kirchen regieren. Erst nach dem 1. Weltkrieg entstanden nach der Abdankung der Landesherren Kirchenordnungen, die frei gewählte Synoden vorsahen. Und auch erst jetzt wurden erstmals Laien in die geistliche Leitung von Kirchen mit einbezogen.
Und wer hat’s erfunden? Die Schweizer? In diesem Fall nicht.
Ein leuchtendes Beispiel für eine synodal verfasste Kirche gab es am Niederrhein in den Ländern Cleve, Jülich, Berg und Mark. Die erste Generalsynode dieser reformierten „Freikirche“ fand 1610 statt. Von da an organisierte sich eine kleine reformierte Kirche in einem katholisch dominierten Umfeld selbst und kam dabei ohne eine fest installierte Kirchenleitung aus. Der Synodalvorstand wurde zu jeder Versammlung neu gewählt.
Etwa 200 Jahre später machte Napoleon dem Spuk ein Ende. Die 1835 unter Preußischer Herrschaft verabschiedete Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung hat zwar viele Elemente dieser Selbstorganisation übernommen, wurde aber wieder mit einem konsistorialen Deckel versehen. Dieser Deckel konnte nach 1918 wieder entfernt werden und: Voila! Da war die presbyterial-synodale Kirchenordnung wieder – nicht ganz so korporativ wie dazumal, aber immerhin. Und die anderen Landeskirchen hatten ein Vorbild, an dem sie sich abarbeiten konnten.
Und wer hat‘s nun erfunden?
Die allerersten protestantischen synodalen Gedanken stammen dann doch wieder von den Lutheranern. Auf der Homberger Synode 1526 versuchte ausgerechnet ein Landesherr, nämlich der hessische Landgraf Phillip, eine jährliche Synode zur Leitung der Kirche zu installieren. Doch Martin Luther persönlich verhinderte dies aus politischen Erwägungen. Vorbild wurde sie dennoch – auch für die Reformierten.
So schließt sich der Kreis und gibt den evangelischen Kirchen gleich welcher Couleur auf, die im Lichte der Heiligen Schrift optimale Kirchenordnung immer weiter zu entwickeln. Die Neuordnung der EKD steht im Raum. Vorbilder gibt es. Mut braucht es. Packen wir es an!
Johann Victor Bredt, Die Verfassung der reformiertenKirche in Cleve-Jülich-Berg-Mark, Neukirchen/Moers 1938
Walter Göbell, Die rheinisch-westfälische Kirchenordnung vom 5. März 1835, Duisburg 1948
Karl Rieker, Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands, Leipzig 1893
wikipedia, Homberger Synode, Stand 25.03.2014
Georg Rieger, 26. März 2014