Zum Gottesdienst gehe ich in die Jakobikirche, nicht zur reformierten Kirche. Der „Name“ reformierte Kirche ist in Rinteln nur Insidern bekannt.
Auf der Kanzel wird aus der Luther-Bibel verlesen, nicht aus der Zürcher. Die Neue Zürcher dient allenfalls als Variante zur Auslegung hebräischer oder griechischer Verse.
Die Barmer Theologische Erklärung wird als reformiertes Bekenntnis geschätzt - obwohl sie weder historisch noch theologisch ein bloß reformierter Text ist (was ich vergaß zu erwähnen, bis ein aufmerksamer Leser mich drauf hinwies!) -, doch auch die Präambel der Evangelisch-lutherischen Kirche in Norddeutschland, der Nordkirche, bekennt: das Evangelium von Jesus Christus sei „aufs Neue bekannt worden“ in der Theologischen Erklärung der Bekenntnissynode von Barmen.
Als Mainstream-Reformierte sei die koreanische Theologin Soon Kyung Park mit ihrer Betonung auf der Minjung-Theologie sicher nicht zu kennzeichnen, schreibt Georg Plasger. Beim Blick auf die liturgische Kleidung der Männer in der Leitung der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen schwant mir: Eine bunte Stola überm schwarzen Talar aus theologischen Gründen abzulehnen, könnte eher deutsch als reformiert sein.
Denk‘ ich das Typisch-Reformiert, kommt mir das Bilderverbot in den Sinn. Aber ist das nicht eher typisch jüdisch? Und der Umgang mit Bilder? Der reformierte Kirchraum scheint das Attribut bilderlos noch zu verdienen, aber im Gemeindesaal kommen Zweifel.
Die Selbstvergewisserung durch Zitation der Tradition gehört zum Reformiertentum. Wir erinnern an Calvins „Soli deo gloria“, Zwinglis „Tut um Gottes willen etwas Tapferes“ und Karl Barths Verweis, es gehe um Christus selber. Aber wehe, wehe, wenn dabei das eigene Denken nachlässt. „Die Zitation kann eben auch ein Ausweichen vor der Mühe der eigenen Antwort sein, die eben immer wieder neu zu formulieren ist“, warnt der reformierte Ökumeniker Michael Weinrich. Und nebenbei: Es gibt auch berühmte Barthianer unter Lutheranern, etwa Helmut Gollwitzer und Hans Joachim Iwand.
Die Langeweile deutscher Gegenwartsliteratur beklagte jüngst der Schriftsteller Maxim Biller und forderte die nicht deutschen Schriftsteller auf, ihre „Fremdperspektive“ und „Multilingualität“ zu nutzen. Integration mindert die Vitalität der Kultur, ist Biller überzeugt. Er beschreibt ein typisches Manko deutscher Geschichte: „Deutschland war bis jetzt immer sehr erfolgreich, wenn es darum ging, Einwanderer und Fremde bis zur Unkenntlichkeit ihrer eigenen Identität zu integrieren, so wie die Hugenotten…“.
Was an mir ist reformiert? Asche über mein ref-info-Redakteurinnen-Haupt, wenn ich das vergesse. Asche über unsere deutsch-reformierten Häupter, wenn wir das Reformiertsein in anderen Ländern ignorieren.
Quellen:
Maxim Biller, Letzte Ausfahrt Uckermark, in: Die Zeit vom 20. Februar 2014, 45f.
Georg Plasger, Rezension von „Reformierte Theologie weltweit“ (TVZ 2013), in: zeitzeichen, März 2014, 63.
Barbara Schenck, 5. März 2014