Die getanzte Kollekte - ''Hätte, wäre, wenn''
(4.10. / 16. So nach Trinitatis) Bei Hitze auf dem Friedhof
Bei der derzeitigen Wetterlage nimmt eine Beschäftigung mehr Zeit ein als sonst: das Gießen. Die Pflanzen in der Wohnung leiden unter der Hitze. Noch mehr die Gärten – Zierpflanzen, Nutzgarten, Rasen und sogar mancher Baum bekommt schon dürre Blätter. Alles lechzt nach Wasser. Auch auf dem Friedhof ist abends viel los.
Gerade auf dem Dorf, wo jeder jeden kennt, will man sich nicht nachsagen lassen, man würde die Blumen auf dem Grab verdorren lassen. Die halbe Ortschaft trifft man an, wenn man selbst ein Grab zu gießen hat. Dabei entsteht der ein oder andere Plausch. Einstiegsthema derzeit: das Wetter, die Hitze und was das für die Bauern bedeutet. Dann ist der Gemeindeausflug Thema – wer war dabei? War es da auch so heiß?
Oft bleibt es beim Smalltalk. Doch kürzlich war ein Mann schweigsam, der sonst gerne mal ein bisschen plaudert. Eine Frau versuchte ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Erst war er zögernd, doch schließlich brach es aus ihm heraus: Es sei der Todestag seiner Frau, die schon vor einigen Jahren an Krebs gestorben ist. Sie mochte heiße Sommer, sie habe oft so leckere, erfrischende Kuchen gebacken und selbst Limo gemacht. Eine dritte Frau kommt dazu. Ihr Mann ist noch kein Jahr tot.
Vor Kurzem hätte er Geburtstag gehabt. Gegenseitig tauschen sie Erinnerungen aus. Erfahrungen, die sie mit ihrer Trauer machen. Die Gießkannen haben sie längst abgestellt. Erst als jemand kommt und keine Gießkanne mehr vorfindet, fällt den Dreien auf, wie lange sie schon reden. Der Mann bedankt sich. »Jetzt geht es mir doch tatsächlich besser«, sagt er kopfschüttelnd. »Wozu die Hitze doch gut sein kann.« [KI]
Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium. (2. Timotheus 1,10b)
Aus: Bernd Becker (Hg.): Die Getanzte Kollekte. 100 kurze Geschichten zum Lesen und Vorlesen.