Calvin - der Fanatiker

Die Persönlichkeitsanalyse eines Wehrmachtspsychologen

Peinliches Fehlurteil: Wehrmachtspsychologen waren ja bekanntermaßen Experten für religiöse Fragen. Dr. Otto Brosius beschäftigte sich 1941 mit der Psychologie des in Wehrmachtskreisen als Gefahr geltenden Fanatikers. In der Religion sah Dr. Brosius eine der wesentlichen Triebfedern des Fanatismus, was er sogleich an Calvins 'blutigem Sittengericht' in Genf verdeutlichte. Der ''Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie'' schien es wert, den Betrag noch einmal abzudrucken. Kategorie: Zeitlose Wahrheiten

"Mit diesem historischen Beispiel kommen wir zu der Frage nach den Inhalten des Fanatismus. Es liegt im Wesen der Sache und wird durch einen Blick auf die Geschichte bestätigt, daß die Religion selber in hervorragendem Maße dazu berufen ist, den unbedingten Einsatz für sie bis zum Fanatismus zu steigern. Das religiöse Bewußtsein des Fanatikers erfaßt die Gottheit nicht im stillen, sanften Sausen, sondern im Erdbeben und im Feuer. Steht er im christlichen Zusammenhang, so vernimmt er nicht die Stimme des Deus caritatis; lieber versenkt er sich in die eschatologischen Visionen der Apokalypse. Keine der großen Weltreligionen scheint frei von fanatischen Zügen und Bewegungen zu sein. Hegel sieht im Mohammedanismus den eigentlichen Fanatismus, aber auch die Geschichte des Christentums weiß in hervorragendem Maße von ihm. Savanarola ist hier vielleicht die eindrucksvollste Gestalt. Wiedertäufer und Bilderstürmer geben Beispiele für religiös fanatische Massenbewegungen. Neben Philipp II. und der Inquisition steht der Gegenspieler der katholischen Restauration, Calvin, der mit blutigem Schwert sein Sittengericht durchsetzte. Im Puritanertum finden wir alle Züge des Fanatismus wieder, von der Enge des Wertblicks bis zur weltgestaltenden Aktivität. (...)

Der deutsche Mensch der Gegenwart, der im Zug und Schwung eines großen historischen Geschehens drinsteht, ist weit davon entfernt den Fanatismus und den fanatischen Menschen in der vorsichtig ängstlichen Art der Aufklärung zu bewerten. Auch da, wo er in kontemplativer Haltung die Enge, das Negierende und Zerstörende der fanatischen Haltung feststellen muß, bleibt auf der anderen Seite die Unbedingtheit und Unerbittlichkeit des fanatischen Wahrheits- und Tatwillens als eine ewige Komponente weltgeschichtlicher Entwicklung bestehen. Die "Wahrheit" des Fanatikers liegt in Hegels Wort, daß "nichts Großes in der Welt ohne Leidenschaft vollbracht wird."

Quelle: www.sgipt.org/politpsy/fanat0.htm

 


Achim Detmers
 

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