Der Vizekanzler wurde nach seinem Eintreffen in der Französischen Kirche zunächst mit Zitaten von Calvin konfrontiert, die vom Schauspieler Julian Mehne vorgetragen wurden. Darin wurde die Prämisse der Freiheit deutlich, die Calvin im Politischen als Gottes Auftrag an jede Staatsform ansah.
Steinmeiers Vortrag setzte dann auch gleich bei der Bedeutung Calvins ein und schrieb dem Franzosen zu, die Reformation zu einer europäischen Bewegung gemacht zu haben. Steinmeier betonte seine reformierte Herkunft, die ihn aber nicht zu einem Calvin-Experten mache. Er dankte seinen Gesprächspartnern Pfarrer Dr. Bernd Krebs und Prof. Dr. Rudolf von Thadden für die Unterstützung im Vorfeld des Vortrags.
Auf das Leben Johannes Calvins ging Steinmeier eher stichwortartig ein und verlegte sich eher auf die Themen, mit denen Calvin die europäische Geschichte prägte. Steinmeier sprach auch das Thema „Servet“ an und nannte dieses Kapitel in der Vita des Reformators einen dunklen Fleck. Calvin habe seine ursprüngliche Haltung als Gegner jeglicher staatlicher Gewaltanwendung aufgegeben. Dagegen sei er tatsächlich aber auch ein Vorkämpfer der Gewissensfreiheit, wie sie in den Demokratien der Welt heute verankert seien.
„Calvin konnte Manches, was er dachte, noch nicht selbst verwirklichen“, sagte Steinmeier, Calvin sei aber in mancher Hinsicht ein Türöffner gewesen. Das gelte auch für das Thema „soziale Marktwirtschaft“: Im Gegensatz zu Luther habe Calvin das Zinsnehmen nicht abgelehnt. „Darin war Calvin Realist“. Allerdings habe er das Zinsnehmen von Armen abgelehnt und eine Begrenzung der Zinssätze gefordert.
Steinmeier zitierte den Historiker Karl Holl mit der Aussage, dass in keiner Kirche die Bergpredigt so konsequent gelebt worden sei als in der Genfs. In keiner Kirche sei das unbarmherzige Ausbeuten so wirkungsvoll bekämpft worden. Das mache Calvin zu einem auch in der heutigen Zeit ernst zu nehmenden politischen Denker. Mit Blick auf die Finanzkrise sagte der SPD-Politiker „Wie sich Finanz- und Realwirtschaft verhalten, steht wieder ganz oben auf der Agenda“
Steinmeier betonte wie zuvor Bukowski in seinen drei Fragen, dass es Calvin in der heutigen Zeit vor allem darum gehen würde, der Gerechtigkeit weiter zum Durchbruch zu verhelfen. „Die Geschichte Gottes mit der Freiheit ist noch lange nicht zu Ende“, sagte Steinmeier. Er nannte die Kirchen in dieser Hinsicht als wichtige „Mahner“.
Für die nächsten Jahre forderte Steinmeier der Gesellschaft eine anspruchsvolle und ernsthafte Haltung und plädierte für eine Fortschreibung der sozialen Marktwirtschaft. “Calvins Segen hätten wir dafür“, schloss der Kanzlerkandidat seinen Vortrag.